Der türkische Ministerpräsident Binali Yıldırım hat im deutschen Oberhausen vor tausenden Deutschtürken für seinen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan geworben. Der will sich in einem Referendum, an dem auch in Deutschland lebende Türken teilnehmen sollen, Vollmachten geben lassen, die die Türkei endgültig in ein autoritäres Regime oder gar eine Diktatur verwandeln werden. Die Veranstaltung war ein nationalistisches Spektakel, bei dem Yıldırım folgende "Argumente" gebrauchte: "Seid ihr für eine große Türkei? Eine starke Türkei? Für Stabilität, Ruhe und Frieden?", rief er.

Dann, beim Besuch der Sicherheitskonferenz in München, kündigte Yıldırım an, auch Erdoğan selbst werde unter den Auslandstürken in Europa für seine Vollmachten werben, möglicherweise in Deutschland. Da dort die meisten Türken (rund drei Millionen) leben, wird es wohl Deutschland sein.

Das stellt die deutsche Bundesregierung und die rot-grüne Landesregierung von Nordrhein-Westfalen vor eine schwere Entscheidung: Darf ein ausländischer Staatschef, der zu Hause die Opposition, alle kritischen Geister und überhaupt die Intelligenz an sich verfolgt, aus ihren Posten entlässt und ins Gefängnis wirft, in einer westlichen Demokratie für noch größere diktatorische Vollmachten werben?

Was Erdoğan da macht und vielleicht auch in Österreich tun will, ist ein eklatanter Missbrauch der demokratischen Verfasstheit eines Gastlandes. Er will in einer liberalen, westlichen Demokratie für sein (und nicht nur sein) Konzept einer vollkommen illiberalen, an östliche Despotien gemahnende "Demokratie" werben.

Erdoğan hat schon 2008 und 2014 in Köln vor tausenden Türkeifahnen schwenkenden Anhängern in Köln gesprochen. 2016, nach dem Putschversuch in der Türkei, war allerdings eine Live-Videozuschaltung bei einer Großveranstaltung von einem deutschen Gericht verboten worden. Begründung: Das deutsche Versammlungsrecht sei nicht dafür da, ausländischen Regierungsmitgliedern oder Staatsoberhäuptern eine Plattform für politische Stellungnahmen zu bieten.

Klingt plausibel. In Wien ließ man Erdoğan 2014 als "Privatmann" vor 15.000 Anhängern reden. Allerdings gab es rund 6.000 Gegendemonstranten (darunter viele Kurden und Aleviten), und Außenminister Sebastian Kurz bestand auf einem Treffen mit Erdoğan, wo er den nicht daran gewohnten Autokraten mit Kritik konfrontierte: Es sei nicht gut, sagte ihm Kurz, "den türkischen Wahlkampf nach Österreich zu tragen".

Erdoğan den Auftritt jetzt in Deutschland – oder Österreich – offen zu verbieten, müsste der selbstherrliche Autokrat als extremen Affront empfinden. Mit möglichen Folgen für den Deal in der Flüchtlingsfrage, der den Zustrom über die Ägäis fast gestoppt hat. Vielleicht kann man Erdoğan ohne Gesichtsverlust diskret klarmachen, dass er für seine antidemokratische Verfassungsreform besser nicht außer Landes werben sollte. Denn im Grunde ist es unerträglich, auf demokratischem Boden für eine Autokratie Stimmung machen zu lassen. (Hans Rauscher, 21.2.2017)