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Keine Frage, die Lage am heimischen Arbeitsmarkt ist alles andere als rosig. Fast 500.000 Menschen suchen derzeit einen Job, ein Drittel davon kommt aus dem Ausland. Denn durch die Öffnung des Jobmarktes auch für die neuen ost- und südeuropäischen EU-Staaten haben die Migrationsbewegungen naturgemäß deutlich zugenommen.

Was heute aber gern verschwiegen wird: Die Förderung der Mobilität war und ist eine ureigenste Idee der Europäischen Union. Jeder Bürger und jede Bürgerin soll sich im gesamten Unionsgebiet niederlassen können, sofern er oder sie einen Job findet. Die Gründerväter der Union haben sich davon nicht nur eine Belebung der Wirtschaft, sondern auch mehr Verständnis für den anderen erwartet, mehr Offenheit. Das war aber damals. In den guten alten Zeiten, als die anderen Mitgliedsstaaten noch nicht primär als Bedrohung empfunden wurden, die es abzuwehren gilt.

"Sonnenschein"-Europäer

Nach den vielen Wahlerfolgen von Rechtspopulisten und dem Brexit haben sich die Prioritäten aber bei vielen verschoben – auch bei der heimischen Regierung. Christian Kern verkündet zwar in Brüssel vollmundig, wie wichtig es sei, nicht nur bei "Sonnenschein" Europäer zu sein, sondern auch, "wenn es draußen regnet". Ist er dann aber wieder zurück in Wien – eine Parallele zu vielen anderen Spitzenpolitikern –, ist der europäische Gedanke schnell wieder vergessen.

Mit Strache im Nacken gilt es, weiteren Zuzug möglichst zu unterbinden. Heimische Betriebe, die neue Arbeitskräfte aus anderen EU-Staaten anheuern, sollen finanziell benachteiligt werden. Besonders kurios ist, dass das Anstellen zusätzlicher Fachkräfte aus Drittstaaten sehr wohl mit dem neuen Beschäftigungsbonus gefördert werden soll. Neuer Türke ja, neuer Ungar nein: Diese Logik soll erst wer verstehen.

Auf tönernen Füßen

Die ÖVP, die sich angesichts schwacher Umfragewerte kein Nein mehr leisten kann, macht da mit. Jene Volkspartei, die sich früher gerne "Europapartei" oder auch "Familienpartei" nannte, hat ihrerseits die EU-Zuwanderer zum Feindbild bei der Familienbeihilfe erklärt. Auch wenn die ausländischen Arbeitskräfte hier Beiträge in voller Höhe zahlen, sollen sie bei der Familienbeihilfe schlechtergestellt werden, wenn ihre Kinder im Herkunftsland leben.

Aus rechtsstaatlicher Sicht stehen diese Vorstöße auf tönernen Füßen. Es besteht ein beträchtliches Risiko, dass nationale oder europäische Gerichte die Regelungen früher oder später kippen. Aber auch das ist längst Usus geworden: lieber fragwürdige Gesetze beschließen, die gut beim Volk und der "Kronen Zeitung" ankommen, als rechtsstaatlich einwandfreie.

Gegeneinander statt miteinander

Vor einigen Jahren sorgte Viktor Orbán noch für Empörung, weil er mit Sondersteuern gezielt Unternehmen aus anderen EU-Staaten treffen wollte. Österreich zählte damals zu jenen, die am lautesten schrien. Heute hat man sich offenbar damit abgefunden, dass man mit dem Kampf gegeneinander mehr erreicht als mit Solidarität.

Leichter wird es dadurch nicht, den Bürgern zu erklären, warum noch weitergehende Forderungen der Rechtspopulisten nicht zulässig sein sollen. Die FPÖ wollte immer eigene Krankenkassen nur für Ausländer. Das hat man immer für rechtlich bedenklich gehalten – genauso wie, bis vor kurzem noch, die Benachteiligung von EU-Bürgern am Arbeitsmarkt. Das hindert die Regierung freilich nicht, genau das jetzt zu tun. (Günther Oswald, 21.2.2017)