Wien – Der österreichische Schwarzarbeits-Experte Friedrich Schneider von der Uni Linz sieht dringenden politischen Handlungsbedarf zur Bekämpfung von Pfusch, Steuerhinterziehung und Sozialbetrug – hat aber keine Anhaltspunkte dafür, dass Ausländer hier mehr Schaden als Inländer anrichten. Man könne davon ausgehen, dass beide Gruppen in etwa gleichem Maß solchen Betrug begehen, so Schneider am Montag.

Mit derartigen Mythen wolle er aufräumen, begründete der Ökonom gegenüber der APA seine diesbezüglichen Überlegungen und Berechnungen. Selbst bei extremen Annahmen gehe er davon aus, dass der Betrug aufgrund von Pfuschen bei Steuer- und Sozialversicherungsleistungen sowie dem klassischen Sozialbetrug zu rund 80 Prozent durch Österreicher erfolge. Empirisch aussagekräftige Unterlagen für die Annahme besonderer Steigerungen bei Ausländern gebe es nicht, betont Schneider zu seinen Simulationsrechnungen.

Im "worst case" kommt er auf lediglich 70 Prozent Inländer-Volumen – unter der Annahme, dass um 30 Prozent mehr Nicht-Österreicher als Österreicher sich derart betrügerisch betätigen und ihr Betrug pro Kopf um 50 Prozent höher als jener der Österreicher liegt.

Schattenwirtschaft

Aus Sicht von Schneider haben Pfusch, Steuerhinterziehung und Sozialbetrug "in vielen Ländern ein derartiges Ausmaß erreicht, sodass ein dringender politischer Handlungsbedarf zur Bekämpfung entsteht". Nur wenn es attraktiv sei, sich in der offiziellen Wirtschaft verstärkt zu engagieren, würden schattenwirtschaftliche in offizielle Aktivitäten überführt.

Alle genannten drei Abgabenbetrugsdelikte zusammen haben dem Finanzwissenschafter zufolge im Vorjahr 6,25 Mrd. Euro Schaden angerichtet, etwas mehr als die 6,05 Mrd. Euro zwei Jahre davor (2014). Dabei sei die klassische Steuerhinterziehung (inkl. MWSt-Betrug) von 1,98 auf 2,09 Mrd. Euro gestiegen, der Steuer- und SV-Betrug durch Pfusch-Aktivitäten nur gering von 3,02 auf 3,03 Mrd. Euro (nach 3,18 Mrd. Euro Zwischenhoch 2015), der Sozialbetrug – Inanspruchnahme unberechtigter Sozialleistungen – von 1,05 auf 1,13 Mrd. Euro.

Insgesamt, also nicht nur auf Steuern und Abgaben bezogen, lag der Pfusch-Schaden in Österreich 2016 bei 20,6 Mrd. Euro und dürfte heuer auf 18,9 Mrd. Euro sinken, weil durch die letzte große Steuerreform etwas weniger Veranlassung zur Schwarzarbeit bestehe, hatte der Uni-Prof. bereits Ende Jänner zu seiner neuen Rechnung erklärt.

Staat gehen Milliarden verloren

In den Jahren 2011 bis 2016 verursachte in Österreich die klassische Steuerhinterziehung (inkl. Karussellgeschäfte) rund 2,4 Prozent Schaden gemessen an den gesamten Steuereinnahmen, hat Schneider jetzt ermittelt. Der Steuer- und SV-Betrug infolge Schattenwirtschaft betrug 2,6 Prozent der entsprechenden Einnahmen und der Sozialbetrug 1,5 Prozent aller Ausgaben für Sozialleistungen.

Die drei Betrugsdelikte zusammen machten so 6,5 Prozent der gesamten Einnahmen von Steuern und Sozialbeiträgen aus. In Summe gehe es zwar um eine Euro-Milliardenhöhe, doch stehe Österreich im internationalen Vergleich bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) mit 1,6 Prozent "gut da", so der Experte. Nur die Schweiz und Luxemburg hätten eine geringere Steuerhinterziehung, Österreich liege auf dem dritten Rang. Am stärksten sei die Hinterziehung in Rumänien mit 5,7 Prozent, gefolgt von Bulgarien mit 5,1 Prozent.

Mehrere Vorschläge

Gesenkt werden könnte der Abgabenbetrug in Österreich laut Schneider durch eine befristete Mehrwertsteuerrückvergütung bei arbeitsintensiven Dienstleistungen, eine Fortsetzung des Handwerkerbonus, eine Erhöhung der Freigrenze der Arbeitsmöglichkeiten von Sozial- bzw. Arbeitslosengeld-Beziehern, eine Sperre bei öffentlichen Aufträgen für drei bis fünf Jahre für Firmen, die schwarzarbeiten lassen, sowie eine konsequente Verfolgung der Steuerhinterziehung mit hohen Strafen für die Betroffenen.

66 Prozent der "schwarzen" Wertschöpfung kämen von Pfuschern, die auch einen Job in der offiziellen Wirtschaft als Selbstständige oder Unselbstständige haben – "in Österreich haben wir zwischen 0,9 und 1,1 Mio. solche Nebenerwerbspfuscher", so Schneider. 16 Prozent gehe auf organisierte Kriminalität (z. B. in der Prostitution oder am Bau) zurück, 17 Prozent auf Arbeitslose und Frühpensionisten. (APA, 20.2.2017)