Die unkeusche Nonne ist ein Topos, der spätestens seit Denis Diderots Aufklärungsroman Die Nonne immer wieder sporadisch in der Literatur und später auch im populären Film begegnet. Während jedoch über Priester, die es mit der Enthaltsamkeit nicht so genau nehmen, in den meisten Filmen moralisch vergleichsweise milde geurteilt wird, scheint es so, als sei die Verbindung aus weiblichen Repräsentantinnen des Christentums und Sexualität weitaus schockierender. So wird die Enthaltsamkeit der Nonne im populären Film oftmals viel stärker als wesentliches Element ihrer Charakterisierung betont, als dies bei ihren männlichen Gegenübern der Fall ist.

Demnach ist es umso schockierender, wenn jene asketischen Körper und die Mauern, die als Schutzwall deren Jungfräulichkeit dienen sollen, nicht mehr als frei von jeglicher Sexualität geschildert werden. Zugleich regen das Frauenkloster als den Laien verborgener Mikrokosmos und die Nonne als unberührbare Fantasien an, welche Geheimnisse oder gar Abgründe sich hinter dem uns nicht Zugänglichen verbergen könnten. Aufbauend auf diesen Fantasien wurde das Nonnenkloster als verborgener und verbotener Ort ausschweifender Sexualität, lesbischer Abenteuer und barbusiger Auspeitschungen in den 1970ern zum Setting einer besonders in Italien beliebten Spielart des Trash-Kinos: des Nunsploitation-Films.

Szene aus "Der Nonnenspiegel".
Screenshot: Youtube

Sensation und Schaulust: Nunsploitation als Exploitation

Der Begriff "Nunsploitation", der ein Subgenre des Exploitation-Films bezeichnet, stellt ein Kompositum aus den Wörtern "nun" und "exploitation" dar. "Exploitation", deutsch "ausnutzen", bezieht sich dabei vor allem auf das Verfahren der Filme: Es gilt, den Voyeurismus und die Sensationslust des Publikums auszunutzen.¹ Dabei wird ein bestimmtes Element in den Mittelpunkt einer Geschichte gestellt, die selbst in den Hintergrund rückt. Was genau dieses vordergründige Element ist, variiert.

Das Grundprinzip bleibt jedoch immer weitgehend dasselbe, sprich: "Das Prinzip Exploitation ist nicht vom Stoff abhängig, sondern bezeichnet eine besondere Form des Umgangs mit Publikumserwartungen, Regeln des Geschmacks und Konventionen des Erzählens."² Letzteres deutet auf ein weiteres Merkmal von Exploitation-Filmen hin, nämlich deren Kategorisierung als außerhalb des ästhetischen und dramaturgischen Kanons des Kinos liegend – sprich: Trashkino.

Screenbound Pictures

Nunsploitation-Filme sind also Exploitation-Filme, die Nonnen als zentrales Element in den Mittelpunkt des Geschehens rücken. Je nach Zielpublikum werden dabei "in unterschiedlicher Dosierung Verstöße gegen die Klosterregeln und kirchlichen Gelübde sowie verbotene sexuelle Handlungen […] in Klöstern, Kirchen oder an anderen Orten mit sakraler Bedeutung geschildert."³ Gemäß dem klassischen Prinzip des Exploitation-Films sind jene Filme um das Versprechen organisiert, dem Zuschauer die schockierende Wahrheit über das Klosterleben zu zeigen. Seinen Höhepunkt in Hinblick auf die Quantität der Produktionen erreichte der Nunsploitation-Film in den 1970er-Jahren. Neben katholischen Ländern wie Italien, Spanien und Mexiko brachte beispielsweise auch Japan einige Klassiker dieses Subgenres hervor.

Unmoralische Novizinnen und barbusige Auspeitschungen

Die meisten klassischen Nunsploitation-Filme gleichen einander stark in Bezug auf Narrationsstruktur, Figurenrepertoire und Setting. Die Handlung wird für gewöhnlich in einer nicht näher genannten Vergangenheit verortet, die in dem meisten Fällen irgendwo zwischen dem Spätmittelalter und dem 18. Jahrhundert anzusiedeln ist.

Ein sehr gängiges Nunsploitation-Szenario sieht etwa folgendermaßen aus: Zunächst erfolgen die historische Verortung der Ausgangssituation und die Einführung der Protagonistin. Meist handelt es sich dabei um ein junges Mädchen, das von ihrer Familie dazu gezwungen wird, Nonne zu werden, beispielsweise, weil sie unerlaubterweise einen Liebhaber hatte. Im Kloster trifft sie dann auf andere junge Mädchen, die ebenso ungern dort sind wie sie. Häufig werden daher Regelbrüche der unfreiwilligen Nonnen – vor allem sexueller Natur – geschildert, wie beispielsweise das Einschmuggeln männlicher Liebhaber, Masturbation, lesbische Beziehungen und manchmal auch große hysterische Orgien.

Darüber hinaus kommt es oft auch zu internen Machtkämpfen beziehungsweise zu Bestrafungen der grenzüberschreitenden Nonnen durch die Mutter Oberin, die für gewöhnlich entweder dem Klischee der sadistischen, der lesbischen oder der machthungrigen Oberin entspricht, in vielen Fällen ist sie alles zugleich.

"Die Nonne von Verona".
screenshot: youtube

Das sündige Treiben im Kloster kann jedoch natürlich nicht ewig vor der Außenwelt geheim bleiben. So ist ein gängiges Ende von Nunsploitation-Filmen, dass die männliche kirchliche Obrigkeit erfährt, dass das jeweilige Kloster ein Bordell, Irrenhaus oder Haus Satans – nicht selten alles zugleich – geworden ist, und dementsprechend die Inquisition eingreifen und dem Einhalt gebieten muss. Dies geschieht letztlich durch die ebenfalls stark sexualisierte Folter der sündigen Nonnen, die meistens das Ende des jeweiligen Klosters und damit des Films markiert. Der Nunsploitation-Film hat für gewöhnlich kein Happy End.

FilmfundeGER

Zentrale Elemente sind also zweifelsohne Sex und Gewalt, die gemäß dem Prinzip des Exploitation-Films die Schaulust der Zuseher befriedigen sollen. Nakahara betrachtet das gängige Setting von Nunsploitation-Filmen gemäß der allgemeinen Neigung des Exploitation-Kinos zur Darstellung repressiver Systeme gewissermaßen als "self-fulfilling prophecy": Der Schauplatz ist immer eine dunkle Vergangenheit, die von einer patriarchalen Inquisition regiert und durch institutionalisierte sexuelle Repression und Folter reguliert wird. In einem derart repressiven System wird den Frauen beinahe keine andere Wahl gelassen, als die Regeln zu brechen und zu Sünderinnen zu werden – freiwillig sowie unfreiwillig.⁴ Und wir als Zuschauer sind dabei in der Rolle der schockierten Beobachter. Genau diese Mischung aus Grenzüberschreitung und Schauwert ist die Basis für den Erfolg von Nunsploitation.

Skandal! Verbotene Sexualität und Sensationslust

Im Nunsploitation-Film, der auf den ersten Blick trivial und weitgehend inhaltsarm erscheinen mag, spiegeln sich bei näherer Betrachtung zahlreiche Diskurse um Gender, Religion und nicht zuletzt Macht, die in der Figur der Nonne miteinander verschmelzen. Die Frage, die man sich an dieser Stelle nochmals stellen sollte, ist, was macht Nonnen als Protagonistinnen für Exploitation-Filme so interessant? Sie fungieren insbesondere als Repräsentantinnen einer verbotenen, grenzüberschreitenden Sexualität, welche die Schaulust der als heterosexuell männlich angenommenen Zuschauer befriedigen sollen.

Die Kamera erlaubt einen voyeuristischen Blick hinter verbotene Klostermauern, bei dem das Versprechen des Skandals evident ist: Wir beobachten sexuelle Ausschweifungen von Frauen, denen diese nicht erlaubt sind, an einem Ort, der nicht dafür gemacht ist. Darin liegt der Skandal, der die Zuschauer in die Position der schockierten Beobachter rückt. (Kathrin Trattner, 29.3.2017)

"Der Nonnenspiegel".
screenshot: youtube

¹ Vgl. Henning von Kügelgen: Exploitation: Verfahren. In: Hans Jürgen Wulff (Hrsg.): Lexikon der Filmbegriffe.
² Ebda.
³ Ludger Kaczmarek: Nunsploitation. In: Hans Jürgen Wulff (Hrsg.): Lexikon der Filmbegriffe.  (02.11.2016).
⁴ Vgl. Tamao Nakahara: Barred Nuns. Italian Nunsploitation Films. In: Ernest Mathijs, Xavier Mendik (Hrsg.): Alternative Europe. Eurotrash and exploitation cinema since 1945. London 2004, S. 132.

Dieser Eintrag ist eine gekürzte Version folgender Publikation:
Kathrin Trattner: Von keuschen und unkeuschen Nonnen. Sexualität und Grenzüberschreitung von Die schwarze Narzisse bis zum Nunsploitation-Film. In: Theresia Heimerl, Peter Wiesflecker (Hg.): Nonnen im Film [Arbeitstitel]. Marburg: Schüren 2017. [voraussichtliches Erscheinungsdatum: Spätsommer 2017]

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