Ministerpräsident Vučić empfing Kern mit militärischen Ehren.

Foto: APA/BUNDESKANZLERAMT/ANDY WENZEL

Fototermin mit Staatspräsident Nikolić.

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"Der Balkan ist nicht ein Hinterhof Europas, sondern ein Wohnzimmer", daher müsse es im Interesse aller sein, vor allem Serbien möglichst schnell in die EU aufzunehmen: Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) wurde auch am Freitag nach einem Gespräch mit seinem serbischen Amtskollegen Aleksandar Vučić nicht müde, für Belgrad die Werbetrommel zu rühren. "Wir betrachten Serbien als einen natürlichen Partner der Europäischen Union."

Es war nicht das erste Mal, dass Kern – übrigens der erste österreichische Bundeskanzler seit einem Jahrzehnt, der Serbien besucht – Vučić Rosen streute. Gerade und vor allem Österreich – laut Nationalbank mit rund 2,3 Milliarden Euro Investitionssumme größter ausländischer Investor – müsse "größtes Interesse" daran haben, die Wirtschaftsbeziehungen zu Serbien möglichst bald noch weiter zu verbessern.

"Drohendes Vakuum füllen"

Und auch strategisch-politische Gründe würden für eine rasche Annäherung sprechen: Es gelte, ein "drohendes Vakuum" auszufüllen, das ein Desinteresse Europas an Serbien verursachen könnte. In der Region könne man schon jetzt verstärkt Einflussbemühungen etwa der Türkei und Russlands feststellen. Das müsse für Serbien im Interesse der EU vermieden werden.

Kern sicherte Vučić zu, in Brüssel die Konsensfindung für einen EU-Beitritt beschleunigen zu wollen. "Von allen potenziellen Kandidaten ist Serbien vergleichsweise gut aufgestellt", zeigte sich Kern überzeugt – und sagte in Anspielung auf Probleme zwischen Serbien und anderen Ländern des Westbalkans: "Nicht immer ist der große Bruder daran schuld, wenn plötzlich großer Lärm aus dem Kinderzimmer drängt."

"Noch nicht genug getan"

Auf die Frage, ob Österreich nicht schon genug tue für einen raschen Beitritt Serbiens zur EU, sagte Kern: "Wir müssen noch mehr tun, keine Frage; und zwar vor allem bei Infrastrukturprojekten, also auf der Schiene und auf der Straße. Denn diese sind es, die Europa letztlich auch verbinden." Würde die EU weiter zögern, so wäre das aus seiner Sicht zweifelsohne ein Fehler.

Vučić schlug unterdessen eine Zollunion der sechs EU-Beitrittskandidaten auf dem Westbalkan vor: "Damit würden wir unsere Staaten einander näherbringen." Er habe bereits Konsultationen mit seinen bosnischen und albanischen Amtskollegen, Denis Zvizdić und Edi Rama, geführt, berichtete Vučić in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Kern. Dieser signalisierte "volle Unterstützung für diesen hochinteressanten Vorschlag".

Mehr Unterstützung in Flüchtlingsfragen

In Sachen Flüchtlingspolitik dankte Kern – der Freitagmittag auch kurz mit Staatspräsident Tomislav Nikolić zusammentraf – seinem serbischen Amtskollegen für die "hohe Professionalität" im Umgang mit der Flüchtlingskrise in den vergangenen beiden Jahren. "Aber Serbien darf nicht zum Parkplatz für Flüchtlinge werden, die über die sogenannte Balkanroute in die EU gelangen wollen." Die europäischen Partner müssten sich bemühen, auch hier – und zwar mehr als bisher – technische, aber auch finanzielle Unterstützung zu leisten.

Die europäische Flüchtlingspolitik müsse insgesamt aber breiter aufgestellt werden. Das Abkommen mit der Türkei habe die Lage in Südosteuropa entschärft – nun gelte es, ähnliche belastbare "Partnerschaften" mit nordafrikanischen Staaten zwischen Ägypten und Marokko zu treffen, wiederholte Kern in Belgrad eine bereits seit Monaten vorgetragene Forderung der österreichischen Bundesregierung. "Bisher bekämpfen wir leider nur Symptome", räumte der Bundeskanzler ein. "Wir müssen es schaffen, endlich an die Ursachen zu gehen." (Gianluca Wallisch aus Belgrad, 17.2.2017)