Wien – Für die Römer waren sie schlicht die "Perser" – die Sasaniden begleiteten das Imperium als Nachbar im Osten durch die Spätantike. Schon mit ihren Vorgängern, den Parthern, lagen die römischen Kaiser im ständigen Konflikt. Doch seit die Sasaniden ab dem Jahr 224 ihre Herrschaft auf dem Gebiet des einstigen Achämenidenreiches errichteten, hatten die Römer für mehr als vier Jahrhunderte einen ebenbürtigen Gegner vor ihrer Haustür.
Bei ihren Kriegen gegen die sasanidischen Panzerreiter erlebten die Römer einige ihrer schmerzlichsten Niederlagen. So mussten sie im Jahr 363 große Gebiete abtreten, nachdem Kaiser Julian der Apostat bei seinem Feldzug gegen Shapur II. am Tigris ums Leben kam. Gut hundert Jahre zuvor wurde Kaiser Valerian gar mitsamt seiner Armee gefangen genommen – als einziger Augustus in der Geschichte des römischen Imperiums. Während die Legionäre für Bauprojekte eingesetzt wurden, soll der Kaiser gehäutet und seine Haut ausgestopft in einem Tempel ausgestellt worden sein.
Zuvor soll er Shapur I. als lebende Aufstiegshilfe für sein Pferd gedient haben. Se non è vero, è molto ben trovato – die Quellenlage zur Geschichte des Sasanidenreiches ist vielfach dünn. Eine wichtige Grundlage für die Wissenschaft bildet die sasanidische Münzproduktion. Vor allem in der Spätzeit des Reiches sind die Münzen auf das Jahr genau datierbar, denn die Könige ließen Regierungsjahr und Prägestätte darauf vermerken.
Katalog
Der Erforschung dieser historischen Quelle widmet sich ein großangelegtes Projekt des Kunsthistorischen Museums Wien (KHM) zusammen mit der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). In der sechsbändigen Reihe Sylloge Nummorum Sasanidarum werden in Kooperation mit der Bibliothèque nationale de France und dem Berliner Münzkabinett die Sammlungen chronologisch aufgearbeitet und katalogisiert. Das KHM-Münzkabinett steuert 1500 Münzen bei, Paris verfügt über 7000, Berlin über 2500.
Für das Basiswerk werden nicht nur historische und archäologische Erkenntnisse zusammengefasst, sondern auch Untersuchungen auf naturwissenschaftlicher Basis durchgeführt. Der derzeit bearbeitete Band V befasst sich mit der Regierungszeit von Khusro II.
Der Münze Kern
Unter diesem erreichte das Sasanidenimperium seine maximale Ausdehnung: Der Kernbereich erstreckte sich vom heutigen Irak bis Afghanistan, dazu konnte er große Gebiete des Oströmischen Reichs inklusive Ägypten erobern. Ironischerweise sicherte er ausgerechnet mit der Unterstützung des Byzantinerkaisers Maurikios seine Macht gegen seine Konkurrenten. Als Maurikios ermordet wurde, zog Khusro gegen den Nachfolger und Mörder Phokas in den Krieg und belagerte schließlich sogar Konstantinopel.
Für die Analysen der Prägungen Khusros wurden 40 Silbermünzen des Münzkabinetts von der KHM-Wissenschafterin Katharina Uhlir mithilfe der Mikroröntgenfluoreszenzanalyse untersucht. Bei den Stücken des Münzkabinetts können natürlich nur zerstörungsfreie Untersuchungsmethoden an der Oberfläche durchgeführt werden. Diese kann jedoch durch Korrosion oder chemische Behandlungen Veränderungen erfahren haben. Um in den Kern der Münzen hineinsehen zu können, wurden daher im Handel 188 Stücke zum Teil minderer Qualität angekauft.
Bei diesen war es problemlos möglich, Teile abzuschneiden und Querschliffe herzustellen – eine Herausforderung, schließlich sind die Münzen weniger als einen halben Millimeter dick. Die Untersuchung lieferte ein überraschendes Ergebnis: Bei den Stücken des KHM wurde an drei Münzen Quecksilbergehalt festgestellt. Bei den zugekauften Exemplaren jedoch wurde das Element bei 152 Münzen nachgewiesen. Wie und wann kam das Quecksilber auf oder in die Geldstücke?
Untersuchungen
Um das Rätsel zu lösen, wurden am Nuclear Science and Instrumentation Laboratory der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) sowie mit weiteren ausländischen Kooperationspartnern Versuche mit feineren Messmethoden durchgeführt. Auf diese Weise konnten mehrere Szenarien ausgeschlossen werden. Zunächst wurde festgestellt, dass sich das Quecksilber tatsächlich nur auf der äußeren Schicht der Münzen befindet, also nicht Teil der Legierung gewesen sein konnte. Ebenso wurde nachgewiesen, dass die Münzen nicht feuervergoldet wurden, ein Verfahren, das eine plausible Erklärung für die Verquickung liefern würde. Auch ein "Weißen" zur Verschönerung der Münzen ergibt keinen Sinn, da diese ohnehin einen Silbergehalt von bis zu 94 Prozent aufweisen.
Wie die Münzen in der Vergangenheit behandelt und gereinigt wurden, lässt sich weder für Münzen der Museumssammlung noch für die zugekauften Stücke sagen. Allerdings lässt sich das Auftreten von Quecksilber auf den Münzen keinen bestimmten Händlern zuordnen, ebensowenig wie bestimmten sasanidischen Münzämtern. Die Tatsache, dass über der Quecksilberschicht oft noch Ablagerungen von Blei und Eisen zu finden sind, die von einer späteren Lagerung mit anderen Metallobjekten stammen dürften, sowie Jahrhunderte dauernde thermodynamische Diffusionsprozesse weisen darauf hin, dass das Quecksilber schon länger auf den Münzen sein muss. Dies alles spricht dafür, dass es nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt und an einem bestimmten Ort bewusst aufgebracht wurde. Welche Erklärung gibt es aber dann, wenn weder Absicht noch Zweck erkennbar ist?
Falsche Fragestellung
Aufschluss brachte ein Artikel aus den 1970er-Jahren. Darin befasst sich der Numismatiker Hans Jüngst mit Quecksilberrückständen auf arabischen Dirhems. Er kommt zum Schluss, dass die Frage nach dem Zweck von falschen Prämissen ausgeht. In der Antike wurde das Geld in kleinen Lederbeuteln am Körper getragen. Damals wurde auch damit begonnen, Quecksilber in der Medizin einzusetzen. Gegen Hautparasiten wurden Salben auf Quecksilberbasis aufgetragen und die Kleidung bedampft. In diesem feuchtwarmen Klima konnte sich das Element auf den Münzen ablagern.
Die Numismatik bildet seit jeher eine Basis für verschiedenste Fachbereiche von der Archäologie bis zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Dass die Münzkunde aber auch klare Hinweise auf medizinische Praktiken der Vergangenheit zu liefern vermag, ist ein doch verblüffender Befund. (Michael Vosatka, 18.2.2017)