Ratloser Präsident: Donald Trump ist seinen Nationalen Sicherheitsberater Michael Flynn (rechts) los – zu rasch?

Foto: APA / AFP/ Jim Watson

In dem Brief, mit dem er Abschied vom Amt nahm, räumte Donald Trumps Nationaler Sicherheitsberater Michael Flynn schließlich doch noch ein, dass er nicht die Wahrheit gesagt hatte über ein im Dezember geführtes Telefonat mit dem russischen Botschafter in Washington. Wegen des hohen Tempos der Ereignisse, schrieb er, habe er es "versehentlich" versäumt, den designierten Vizepräsidenten Mike Pence und andere vollständig über sein Gespräch mit Sergej Kisljak zu informieren. Er habe sich dafür entschuldigt, fügte er an und schloss das Schreiben trotzig mit der Schlüsselparole aus Donald Trumps Wahlkampf: "Make America great again!"

Es war an einem der ruhigen Tage nach Weihnachten, als der pensionierte General mit Kisljak über die Sanktionen sprach, die Barack Obama gerade gegen Russland verhängt hatte. Der scheidende US-Präsident wollte Moskau einen Denkzettel verpassen, während er dem Kreml vorwarf, die US-Wahl mit gezielten Hackerangriffen manipuliert zu haben. Flynns Aufgabe dürfte es gewesen sein, Moskau baldiges Tauwetter nach vorübergehender Eiszeit zu signalisieren – ob im Auftrag Trumps oder auf eigene Faust, bleibt vorläufig offen.

Da Flynn aber zu jener Zeit noch kein Regierungsamt innehatte, verstieß er gegen geltendes Recht. Ein US-Gesetz aus dem 18. Jahrhundert verbietet es Privatleuten, mit ausländischen Regierungen über Staatsangelegenheiten zu verhandeln.

So weit, so theoretisch. Was den Sicherheitsberater tatsächlich zur Demission zwang, war wohl eher eine veritable Vertrauenskrise im eigenen Haus: Pence nahm ihm übel, belogen worden zu sein. Es war Pence, der noch vor Tagen beteuerte, bei dem Telefonat zwischen Flynn und Kisljak sei es nie um Sanktionen gegangen. In die Irre geführt und blamiert, gehörte er am Ende zu denen, die am energischsten auf einen Rücktritt drängten. Bei alledem gibt es Stimmen, die von Rache der Geheimdienste an Trump sprechen, an einem Präsidenten, der kein Hehl daraus machte, mit welch tiefem Misstrauen er CIA und NSA begegnet. Flynns Gespräch mit Kisljak wurde abgehört. Dass sein Inhalt durchsickern würde, war zu erwarten: Zu intensiv tobt gerade die Debattenschlacht, wie viel Nähe oder Distanz zu Wladimir Putin ratsam wäre.

Mit Putin am Tisch

Einst Chef der Defense Intelligence Agency, des Militärgeheimdienstes der USA, war Flynn wiederholt im staatlich finanzierten russischen TV-Sender Russia Today aufgetreten und hatte bei einem Galadiner neben Putin gesessen. Wie erst jetzt bekannt wurde, ließ das Justizministerium dem Weißen Haus bereits Ende Jänner eine Einschätzung zukommen, wonach er durch den Kreml erpresst werden könnte. Wie genau, ist bisher nicht zu erfahren.

Klar scheint aber auch, dass hinter den Kulissen erbittert gerungen wurde um die Personalie. Flynn hat Trump schon frühzeitig im Wahlkampf beraten. So etwas begründet eine gewisse Loyalität, es dürfte das tagelange Zögern Trumps erklären. Noch Stunden vor Flynns Abgang erklärte Trumps PR-Beraterin Kellyanne Conway, der Mann genieße das volle Vertrauen des Präsidenten. Der Präsident prüfe die Lage, betonte auch Sprecher Sean Spicer.

Am Dienstag hörte sich das anders an: Ein Sprecher des Weißen Hauses sagte, das Vertrauen Trumps in Flynn sei "erodiert", nachdem das Justizministerium am 26. Jänner die Telefonate gemeldet habe.

Bloomberg Politics

Gleichzeitig warf der Sprecher dem Ministerium vor, die Informationen zu spät weitergegeben zu haben. Trump sei außerdem "sehr, sehr besorgt" über Informationslöcher im Weißen Haus, gegen die er vorgehen will.

Wie die "New York Times" am Dienstag berichtete, soll die US-Bundespolizei FBI Flynn bereits frühzeitig vernommen haben. Über den Inhalt der Vernehmung, die schon in den ersten Tagen nach Trumps Amtsantritt am 20. Jänner stattgefunden habe, wurde demnach nichts bekannt. Das FBI wollte sich auf Nachfrage der Nachrichtenagentur AFP nicht zu dem Vorgang äußern.

Im inneren Zirkel der Macht zählte Flynn zu den Hardlinern, ebenso wie Steve Bannon, der Chefstratege. Flynn, so schreibt er es in seinem 2016 erschienenen Buch "Field of Fight", sieht den Westen in einem "globalen Krieg mit dem radikalen Islam und dessen Verbündeten". Die feindliche Koalition reiche von Nordkorea über China, den Iran und Syrien bis nach Kuba, Venezuela und Nicaragua – und Teheran sei der Dreh- und Angelpunkt dieser Allianz. Ein Sicherheitsberater Flynn, ist zu vermuten, hätte energisch auf die Aufkündigung des Atomabkommens mit dem Iran gedrängt. (Frank Herrmann aus Washington, AFP, 14.2.2017)