Ceta lebt, TTIP ist tot. Oder zumindest eine lebende Leiche. Ganz abschreiben will EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström das umstrittene Transatlantikabkommen zwischen Europa und den USA nicht. Tatsächlich geht niemand davon aus, dass mit dem derzeitigen US-Präsidenten unterzeichnet wird, was schon unter Obama unter keinem guten Stern stand. Allenfalls niederschwellig werde nun an Harmonisierungen von Regeln für bestimmte Industrien gearbeitet, sagt Rolf Langhammer vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel.

Dennoch will die Europäische Union nicht im Trump-Schock erstarren. Ganz im Gegenteil. Nach dem erwarteten Rückzug der USA aus der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) hofft die Union auf den zügigen Abschluss neuer Handelsverträge sowohl in Asien als auch in Amerika. "Wir führen mit allen bis auf zwei an TPP beteiligten Staaten Handelsgespräche, die sich in verschiedenen Stadien befinden. Insgesamt verhandeln wir mit 20 Staaten", sagte Malmström der "Welt am Sonntag". "Ich würde deswegen sagen, dass wir in der Lage sind, die Lücke zu füllen, die TPP hinterlässt."

Gespräche mit Japan schreiten voran

Die Wahl Trumps hat nach Ansicht der EU-Kommissarin, aber auch nach Einschätzung der Industrie die laufenden Gespräche mit Japan über ein Handelsabkommen vorangetrieben. "Seitdem das transpazifische Abkommen immer unrealistischer wird, können sich die Japaner entschlossener einbringen", sagt Markus Beyrer vom europäischen Industrieverband Business Europe. Mit einem Abschluss rechnet er noch im ersten Quartal. "Das wäre nach Ceta ein starkes Zeichen, dass Europa ein weltoffener Kontinent bleibt", sagt Beyrer.

Während gegen Ceta, TTIP und TPP mancherorts lautstark protestiert wurde, verhält sich die freihandelskritische Öffentlichkeit hinsichtlich der Gespräche mit Japan zurückhaltend. Dabei ist das geplante Abkommen durchaus gewichtig. Japan ist die drittgrößte Wirtschaftsmacht der Welt, Kanada rangiert nur auf Platz zehn. Japan und die EU stehen für ein Drittel der globalen Wirtschaftsleistung. Japan möchte etwa die Autozölle abschaffen, Europas Unternehmen hingegen hoffen, sich künftig an öffentlichen Ausschreibungen in Japan beteiligen zu können, etwa für Züge. Auch die umstrittenen Investoren-Schiedsgerichte könnten Teil des Abkommens sein. Die Grünen im EU-Parlament wollen das aufmerksam verfolgen: "Unabhängig davon, in welcher Form der Investitionsschutz nun verankert werden soll, gibt es für uns keinen Grund, ein solches Paralleljustizsystem einzuführen", lässt Europaabgeordneter Michel Reimon wissen.

Korea als Vorbild

Für Beyrer zeigt indes das Abkommen, dass man vor einigen Jahren mit Südkorea ausgehandelt hat, die positive Wirkung. Die zuvor negative Handelsbilanz habe sich in einen Überschuss verwandelt. Mittlerweile hat die EU auch mit Vietnam und Singapur Abkommen verhandelt. Geplant ist auch die Vertiefung der Beziehungen mit Neuseeland, Australien, Mexiko und Indonesien. Nach Trump gewinnt auch Mercosur an Bedeutung. Und Europa könnte die Sirenenklänge aus China erhören: Das Land winkt seit Jahren mit einem Freihandelsabkommen. Derzeit spricht man über eine Vorstufe, ein bilaterales Investitionsschutzabkommen. (Regina Bruckner, 15.2.2017)