Ankara/Athen – Al-Bab heißt "das Tor", und wohin es führt, scheint nun eine der neuen offenen Fragen im Krieg in Syrien zu sein. Die türkische Armee und von ihr unterstützte Rebellengruppen kämpfen sich seit dem Wochenende von drei Richtungen weiter auf den Eingang der Stadt im Norden Syriens vor. Mit der Einnahme von al-Bab und der Vertreibung der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) aus einer ihrer letzten Hochburgen wäre das Ziel der türkischen Militärintervention in Syrien erreicht. So stellte es zumindest der türkische Regierungssprecher und Vizepremier Numan Kurtulmus am vergangenen Samstag dar.
Im Süden der Stadt, die vor Beginn des Kriegs 2011 noch rund 60.000 Einwohner zählte, dringen allerdings – unterstützt von russischen Kampfflugzeugen – Einheiten der syrischen Regierungsarmee vor. Auch sie sind am Belagerungsring um al-Bab beteiligt.
Der Vormarsch der Assad-Truppen hat die Türken zur Offensive bewogen. Bald sechs Monate dauert bereits Ankaras Feldzug im Norden Syriens. Nach schnellen Gebietsgewinnen in den ersten Wochen stand die türkische Armee die meiste Zeit vor der IS-Hochburg al-Bab. Dort muss sie empfindliche Verluste hinnehmen, denn die Terrormiliz leistet großen Widerstand. 66 türkische Soldaten sind bisher bei der Operation "Euphrat-Schild" getötet worden. Die Verluste muss die türkische Regierung vor der Öffentlichkeit verteidigen. Sie tut dies mit Verweis auf die Serie von Terroranschlägen im Land, die vom IS gesteuert werden – zuletzt im Istanbuler Nachtclub Reina in der Neujahrsnacht.
Zögerliche Hilfe der USA
Ein Militärexperte des Istanbuler Thinktanks Edam führt die türkischen Verluste auch auf die geringe Unterstützung der USA und anderer Staaten der Anti-IS-Koalition zurück. Erst seit der letzten Dezemberwoche sind US-Maschinen von der türkischen Basis Inçirlik an Einsätzen um al-Bab in der Provinz Aleppo beteiligt.
Ankara steht nun vor zwei Problemen. Das eine ist militärisch: Gelingt der Vorstoß in das Zentrum von al-Bab, werden die türkischen Soldaten und ihre Verbündeten – eine turkmenische Einheit und Rebellen der Freien Syrischen Armee (FSA) – einen Häuserkampf führen müssen. Das zweite Problem ist diplomatischer Natur: Soll ein Aufeinandertreffen türkischer und syrischer Truppen in al-Bab verhindert werden, muss Ankara eine Vereinbarung mit Assads Schutzmacht Russland finden – eine Demarkationslinie im Süden der Stadt. (Markus Bernath, 12.2.2017)