Aufgerollter Sperrmüll? Ja, aber auch ein Objekt gewordenes Gedankenkonstrukt Rudolf Polanszkys: "Faltungs- und Rollskulptur" (2015/2016).

Foto: Nathan Murrell

Mit der Erkenntniseuphorie seiner Zeit konnte Friedrich Nietzsche nichts anfangen. Die Wissenschaft, von der sich der aufgeklärte Mensch gar so tiefe Einsichten erwartet? Ein Provisorium, allenfalls. Geschickt gebaute Gedankenkonstrukte, "Begriffsdome", die allerdings auf einem Grund aus "fließendem Wasser" errichtet sind, letztlich also keinerlei Halt haben.

Es ist ein Echo dieser Skepsis, das derzeit die Wiener Charim-Galerie durchweht. Zu sehen sind dort aus Sperrmüll gebaute Objekte und Assemblagen des österreichischen Künstlers Rudolf Polanszky (geb. 1951). Eine "Chimäre, ein Fabeltier" sei der Glaube, man könne die Welt durch die Ratio in den Griff bekommen, sagte dieser in einem Interview.

In dieser Überzeugung wurzelten schon die frühen Aktionen Polanszkys, in denen er die Vernunft im buchstäblichen Sinn auszuschalten suchte, etwa durch automatistische Methoden oder Alkohol. Sie grundiert aber auch jene Skulpturen bzw. Objektbilder, die ihn seit den 1990er-Jahren umtreiben und von denen einige jüngere nun bei Charim gezeigt werden.

Von der Oberfläche her besehen handelt es sich um "trashige" Arrangements aus Schrottplatz-Fundstücken, die an die Arte Povera denken lassen. Hier fügen sich mehr oder weniger abgenutzte Blechstücke oder Folien mit Kleberpatzern zu Bildtafeln von spröder Poesie. Dort ist eine mit Farbspritzern übersäte Plastikfolie à la Croissant zusammengerollt. Hie und da sorgen Fettbatzen – Beuys, schau owa! – für eine leicht grindige Anmutung.

"Ad-hoc-Synthesen"

Nun sind diese abstrakten Objekte aber so etwas wie Nietzsches "Begriffsdome". Solche jedoch, die Stabilität gleich gar nicht behaupten. Sie verstehen sich als provisorische Verkörperungen gedanklich-sprachlicher Gebilde, die jede Sinnstiftung persiflieren. Denn sicher, da bilden sich Strukturen, Muster, "Inhalte". Polanszkys Arbeitsweise sieht aber vor, jeder Art von "Sprache", sowie sie gefunden ist, gleich wieder zu entsagen. Er vermeidet, aufzugreifen, was einmal festgelegt ist.

Sinn und Zweck sind quasi das Schreckbild, dem es zu entrinnen gilt. Und zwar nicht nur, wo sie von außen kommen, wo Fremdbestimmtheit droht, sondern auch, wo sie selbstgestiftet sind. Das Mittel dazu ist augenblickliches Reagieren, das Polanszky für seine Arbeiten auf den Begriff der "Ad-hoc-Synthese" bringt.

Der so geborene "Unsinn" kontrastiert indes mit den koketten Annäherungen des Künstlers an die (Natur-)Wissenschaften. Insbesondere in den Titeln bezieht er sich immer wieder auf sie, wobei derlei "Begriffsdome" aber vor allem als befruchtender Rahmen für die Nichtsinnstiftung fungieren.

Einen hübschen Witz bildet dabei auch der Titel der Schau, Eidola. Unter einem Eidolon verstand der Grieche Demokrit aus Atomen bestehende Abbilder, die den Dingen entsteigen, auf dass diese für uns sichtbar würden. Eine obsolete Vorstellung vom Sehen? Mag sein. Aber wer beweist eigentlich, dass unsere moderne und gewiss (auch) sehr zweckdienliche Idee vom Auge weniger ein Mythos ist, errichtet auf "fließendem Wasser"? Eben. (Roman Gerold, Album, 11.2.2017)