Foto: apa

Wien – Als Mitte der 1990er Jahre die ersten Fachhochschulen in Österreich aufkamen, machten die knapp 700 Studienanfänger nur einen Bruchteil der Personen aus, die ein Hochschulstudium begonnen haben.

Doch der Sektor ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten stetig gewachsen – von den Studienanfängern des zu Ende gehenden Wintersemesters studiert rund jeder Dritte bereits an einer Fachhochschule. Insgesamt studieren nun erstmals 50.000 Studierende in Österreich an Fachhochschulen.

Und geht es nach den Plänen der Regierung, ist damit der Plafond noch nicht erreicht. Mitte Jänner stellte Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) im Rahmen eines Vortrags zu seinem "Plan A" für Österreich an der Fachhochschule Hagenberg 5000 neue Studienplätze an Fachhochschulen und Universitäten in Aussicht – in den sogenannten MINT-Fächern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik.

Die zusätzlichen Studienplätze an den Fachhochschulen sollen auch die Universitäten entlasten und dort mehr Freiraum für die Forschung bieten. Denn immer noch sind die Universitäten der Hochschulzweig mit weit mehr Studierenden. In diesem Wintersemester gibt es rund 308.700 Inskribierte an österreichischen Universitäten, davon 281.100 ordentliche Studierende.

Profile schärfen

Mit dem stetigen Wachstum des Fachhochschulsektors stellt sich die Frage nach dem Verhältnis von FHs und Universitäten und den Unterschieden der beiden Hochschulsektoren. Der Wissenschaftsrat empfiehlt diesbezüglich eine "geordnete akademische Landschaft". Soll heißen: die Profile der einzelnen Hochschulsektoren sollen geschärft werden.

Das Wissenschaftsministerium will diesem Ziel im Strategieprozess "Zukunft Hochschule" verfolgen. Sofern das gelingt, wäre es eine gegenteilige Entwicklung, als jene, die sich in der Vergangenheit etabliert hat. Denn in der Praxis war in den vergangenen zwei Jahrzehnten eine kontinuierliche Annäherung zwischen Fachhochschulen und Universitäten zu bemerken: Vermehrt bemühen sich die FHs darum, ihre Forschungsaktivitäten zu steigern, inzwischen forderten sie gar das Promotionsrecht.

Die Universitäten wiederum gehen unter den ständig steigenden Studienzahlen in immer mehr Fächern vom forschungsgeleiteten Lehren ab, Frontalunterricht und Multiple Choice Prüfungen dominieren die Lehrpraxis.

Nach Ansicht des Wissenschaftsrats sollte an den Universitäten die Forschung und forschungsgeleitete Lehre im Zentrum stehen: "Eine universitäre Ausbildung bereitet zwar auch auf Berufe vor. Sie fokussiert dabei aber auf die ‚Praxis von morgen‘", heißt es in einer Empfehlung des Wissenschaftsrats.

Den Fachhochschulen rät das Gremium dagegen, "die Fähigkeit vermitteln, die Aufgaben des jeweilen Berufsfeldes dem Stand der Wissenschaft und den aktuellen und zukünftigen Anforderungen der Praxis entsprechend zu lösen." In der Forschung sollte die Anwendung im Zentrum stehen, nicht die Grundlagenforschung.

Erheblicher Aufholbedarf

"Die Unis haben eine sehr lange und glorreiche Tradition. Die Fachhochschulen haben objektiven Erfolg, aber keine Geschichte. In gewisser Weise haben die Fachhochschulen eine geringere Sichtbarkeit, als es ihr Erfolg rechtfertigen würde", sagte der Vorsitzende des Wissenschaftsrats Antonio Loprieno über das Verhältnis von Fachhochschulen und Universitäten in einem Gespräch mit dem STANDARD: "Unis haben noch immer die Deutungshoheit. Die kulturelle Etabliertheit fehlt den Fachhochschulen."

Bezüglich der Verteilung der Studierenden zwischen Fachhochschulen und Universitäten empfiehlt der Wissenschaftsrat eine Verteilung 40 zu 60. Derzeit zählen die FHs nur 15 Prozent der Studierenden – womit noch ein erheblicher Aufholbedarf zur Erreichung des Ziels des Wissenschaftsrats besteht.

Ein umstrittener Ansatz dafür aus dem Projekt "Zukunft Hochschule", sind Überlegungen, das Studienangebot zwischen Universitäten und Fachhochschulen abzugleichen und damit möglicherweise Studien von der Uni an die FHs zu verlagern.

Die Uni-Rektoren warnen davor, dass sich bei der Verlagerung von Fächern von der Uni an Fachhochschulen, durch die praxisorientierte Ausbildung an den FHs die wissenschaftlich fundierte Breite von Fächern verloren gehen würde. Der Präsident der Universitätenkonferenz Oliver Vitouch, Professor für Psychologie an der Alpen-Adria Universität Klagenfurt, attestiert Universitätsabsolventen eine "längeren Halbwertszeit ihres Wissens", wodurch die Kompetenz zur Lösung neuer, zukünftiger Probleme größer sei.

Bei FH-Abgängern ortet Vitouch hingegen eine "Fachhochschulfalle" – es bestehe die Gefahr, dass erworbene Kompetenzen, die sehr praxisbezogen auf die aktuelle Arbeitswelt bezogen sind, bald überholt sein könnten. Der Präsident der Fachhochschulkonferenz Helmut Holzinger kann diesen Bedenken naturgemäß wenig abgewinnen und attestiert der Universitätenkonferenz "mangelnden Respekt" gegenüber den Fachhochschulen. (Tanja Traxler, 11./12.2.2017)