Enten, Schaukelpferde, Vibratoren oder Falco-Devotionalien. Sind Sammler schräge Vögel oder kleine Kuratoren? Wir fragten vier Zeitgenossen nach dem Grund für die wundersame Vermehrung von Objekten ihrer Begierde.

Ich habe immer schon irgendetwas gesammelt. Begonnen hat es mit Briefmarken, was mir ein Stück weit von meinen Eltern ans Herz gelegt wurde. Die Briefmarken haben allerdings weniger Spaß gemacht. Eine Zeit lang war ich hinter Prothesen her. Vor allem nach Stücken aus der Zeit des Ersten Weltkriegs. Es ist erstaunlich, wie kunstvoll diese gearbeitet sind. Manche Teile haben mich an die Mode von Gaultier oder McQueen erinnert. Irgendwann hatte ich so viele, dass ich zwei gesamte Körper daraus bauen konnte. Den Kopf bildete eine Fechtmaske. Viele Leute fanden das allerdings spooky. Mittlerweile ist die Sammlung verkauft, sie hat einen guten Platz im Heeresgeschichtlichen Museum in Wien gefunden.

Die Verbindung zu den Tieren rührt wohl daher, dass mein Vater Jäger war. Es war immer eine aufregende Geschichte, wenn er von der Jagd kam und mein Bruder und ich beim Rupfen der Fasane helfen durften. Aus den Federn haben wir allerlei Dinge gebastelt. Zum eigentlichen Sammeln von Vögeln bin ich auf andere Weise gekommen. In der Wiener Operngasse gab es ein berühmtes Hutgeschäft namens Fernau. Dort habe ich vor zehn Jahren in der Auslage einen Hut mit jeder Menge Federn von Paradiesvögeln gesehen. Das war die Initialzündung.

Foto: Nathan Murrell

Platzprobleme

Nach regelrechten Raubzügen auf Ebay war ich irgendwann der Besitzer von 200 Vögeln. Dazu zählten auch richtig große Tiere, zum Beispiel Schwäne, Geier und sogar ein Helmkasuar, ein echter Riesenvogel. Eines Tages habe ich die Sammlung allerdings schweren Herzens verkauft. Ich hatte einfach keinen Platz mehr.

Ich kann mich durchaus von Sammlungen trennen. Wichtig ist mir allerdings, dass sie an einen Besitzer kommen, der sie ebenso wertschätzt, wie ich es tue. Aber es stimmt schon, es ist ein bisschen, als würde man eine Beziehung beenden. Das fällt nicht leicht, gehört aber zum Leben. Etwas Neues zu beginnen ist ja auch aufregend.

Apropos: Ein Jahr und eine Wohnung später hat es mich derart gejuckt, dass ich wieder begonnen habe, Vögel zu sammeln, in erster Linie Enten und Gänse. Ich hab die Tiere einfach vermisst. Mittlerweile sind es an die 100. Ungefähr 40 hier in meiner Wohnung, der Rest liegt fein säuberlich verpackt in einem klimatisierten Depot. Manchmal besuche ich sie, packe sie aus und erinnere mich an den Moment, in dem ich sie ersteigert habe. Was die Tiere kosten? Das fängt bei 20 Euro an und kann in die Tausende gehen.

Paradiesvögel

Jagdtrophäen interessieren mich nicht. Die meisten meiner Enten stammen aus Tiergärten oder privaten Gehegen, in denen ihr letztes Stündlein schlug. Ich habe übrigens keinen dieser Vögel lebendig gekannt.

Klar gibt es Momente, in denen ich mir Geschichten zum Leben dieser Tiere ausmale, vor allem im Falle der Paradiesvögel. Die haben eine bizarre Historie hinter sich. Die Ersten von ihnen kamen Anfang des 16. Jahrhunderts präpariert aus Papua-Neuguinea nach Europa. Im Prinzip bestanden sie in diesem Zustand nur aus Flügeln und Kopf. Deshalb hat man gut 300 Jahre geglaubt, dass diese Vögel niemals landen, ihre Eier in der Luft ausbrüten und sich von Himmeltau ernähren. Ein Detail am Rande: Errol Flynn hat mit diesen Vögeln gehandelt, allerdings nicht besonders erfolgreich.

Mich als Ornithologen zu bezeichnen wäre übertrieben, auch wenn ich eine Zeitlang Bücher über die Vögel gelesen und Kassetten gehört habe, auf denen die Rufe der Tiere zu hören waren.

Foto: Nathan Murrell

Jagen, ohne zu töten

Ich erfreue mich einfach an der Gegenwart der Vögel. Ein besonderer Schatz ist ein kleiner bunter Fink, der auf dem Schreibtisch in meinem Büro im Museum steht. Wenn es heiß hergeht, erinnert er mich daran, dass man die Dinge nicht zu schwer nehmen soll. In diesen Momenten stelle ich mir sein Zwitschern vor.

Die Art, wie die Enten in meiner Wohnung herumstehen, verleiht ihnen etwas sehr Lebendiges. Ich pflege sie, staube sie ab. Vor allem ihren Augen verleiht das einen ganz besonderen Glanz. Ich spreche von einem liebevollen Ritual, bei dem ich allein sein möchte. Andere putzen halt ihre Schuhe voller Leidenschaft oder geben sich dem Polieren ihres Autos hin. Sammeln ist eine Art von Jagen, ohne zu töten. Für den einen sind es Briefmarken, für den anderen sind es ausgestopfte Tiere.

Es ist ein Glücksgefühl, gewisse Stücke zu ergattern. In ein Geschäft zu gehen und einfach etwas zu kaufen, interessiert mich nicht. Ich möchte Dinge aufstöbern, das gilt auch für Mode. Kombinieren, vergleichen, besitzen, das sind die Merkmale, um die es beim Sammeln geht. Das bringt einem Quality-Time und hat durchaus etwas Meditatives. Auch das Wissen um Dinge kann eine Sammlung sein, eine geistige sozusagen.

Klar würde ich auch diese Sammlung irgendwann wieder hergeben, aber nur wenn ich, so wie bei meinen Prothesen, wüsste, dass sie an einen guten Platz kommt. Das verhält sich ein bisschen so, als müsste man sich von einem Hund trennen, weil man sich scheiden lässt." (Michael Hausenblas, RONDO, 10.2.2017)

Stefan Zeisler ist Kreativdirektor des Kunsthistorischen Museums in Wien.

www.khm.at

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