Wien – Seit beachtlich vielen Jahren ist Gitarrist Wolfgang Muthspiel respektierter Teil der internationalen Szene. Er hat – auch auf dem eigenen schönen Label Material RecordsQualitätsvolles veröffentlicht. Kollegen wie Dave Liebman, Peter Erskine, Paul Motian, Gary Peacock und auch Bugge Wesseltoft waren mit ihm jazzig im Bunde.

Wolfgang Muthspiel über die gute Zusammenarbeit mit Star Brad Mehldau: "Wenn er die Kooperation will, klappt sie. Man muss aber mit seinem Management reden, das ihn sehr beschützt ..."
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Seit 2014 allerdings markiert die Kooperation mit dem Label ECM den Goldrand um die Karriere des Steirers. Er gehört damit zum Kreis jener, die sich künstlerisch ungestört entfalten können und doch auch mit globalem Vertrieb ihrer Ideen rechnen können. Heutzutage ist dies ein aussterbender Traum, und Muthspiel weiß das. Wenn er über seine Neuheit spricht, die CD Rising Grace mit Trompeter Ambrose Akinmusire und Pianist Brad Mehldau (seines Zeichens wichtiger Vertreter der subjektiven Pianistik der Post-Jarrett-Ära), wird es spürbar.

Die Vorbereitung? Der Studioarbeit gingen drei Konzerte voraus, was schon sehr wichtig war – die Nummern sollten verinnerlicht werden. "Im Studio beginnt die Arbeit aber dennoch von vorn. Es soll ja kein Konzert nachgespielt, dessen Energie simuliert werden. Aber es hat alles geklappt", sagt Muthspiel, der die Arbeit von Labelboss und Produzent Manfred Eicher hervorhebt.

"Bei ihm sind alle gut vorbereitet, er ermöglicht es, zum Wesen der Musik vorzudringen. Man unterschätzt ja jene Zeit und Energie, die für die Rahmenbedingungen im Studio verschleudert werden können. Bei Eicher ist alles geordnet, er schafft Atmosphäre und hört genau zu." Eicher würde genau spüren, "wo der Fluss der Musik behindert wird, wo diesem etwas im Wege steht. Dann greift er ein. Dabei kann es um die Form des Stückes gehen, um Teile, die zu oft vorkommen, aber auch um Soli, die zu viel sind. Mitunter schlägt er einen weiteren Take vor. Aber in Summe hat man zwei Tage für die Aufnahmen und einen für das Mischen. So ist das eigentlich üblich im Jazz."

Ein Stück für Brad

Keinesfalls war es schwierig mit einem Star wie Mehldau: "Brad kenne ich schon länger. Vor Jahren habe ich ihm eine Platte geschickt, ihm ein Stück mit dem Titel Mehldau gewidmet. Er hat sehr nett reagiert. Ich hatte eine grundsätzliche kompositorische und klangliche Verwandtschaft zu ihm gespürt und dachte, dass es passen würde. Es ist eine Traumband geworden."

ECM Records

An dieser wirken auch Bassist Larry Grenadier und Schlagzeuger Brian Blade mit. Und auf einer Nummer wie Intensive Care ist zu bemerken, wie die Musik durch den kommunikativen Gestus abhebt, wie frei jeder Instrumentalist wirkt und gleichzeitig doch am Ganzen der Musik mitgestaltet. "Das sind Momente, die man nicht planen kann", weiß Muthspiel. "Das wirkliche Miteinander entsteht, wenn jeder bei seiner Linie bleibt und dennoch alle anderen in seinen Kosmos einbezieht. Mehldau war da sehr unterstützend." Aufwendig war nur, in dessen Kalender Platz zu finden. "Wenn er die Kooperation will, klappt sie. Man muss aber mit seinem Management reden, das ihn sehr beschützt in Hinblick auf das Timing seiner Aktivitäten ..."

Das Planen war denn auch anspruchsvoll. Aber letztlich "war er beim Musizieren alles andere als schwierig, niemand war schwierig. Man muss den Leuten den Raum lassen, den sie brauchen. Wenn man jemanden nur begleiten lässt, kann es schwieriger werden", so Muthspiel, der nach wie vor auch Gesangsunterricht nimmt und in diesem Bereich einiges vorhat.

Pläne jedenfalls gibt es. Wie das allerdings so ist mit Plänen, man weiß nie, ob sie nicht von Ereignissen gerammt werden. Muthspiel hatte ein Sabbatical vor, wollte Erfahrungen am Amazonas machen. Dann aber kam seine Tochter zur Welt und brachte ganz andere Spannungen ins Leben, das nun aber wieder von Konzerten dominiert wird. Muthspiel wird am 3. März im Konzerthaus mit Quintett gastieren – u. a. mit Pianist Gwilym Simcock. Da ist noch mehr: Muthspiel, der in Basel an der Hochschule unterrichtet, hat ein spezielles Projekt initiiert: "Es handelt sich um einen Studiengang mit acht Musikern und einem Produzenten. Ein Jahr lang wird mit anreisenden Gästen wie Steve Swallow, Django Bates oder Joshua Redman gearbeitet, es wird eine Platte und Tourneen geben. Das bietet die Möglichkeit, Dinge zu vertiefen, auch wenn man schon Profi ist. Es gibt keine Altersbeschränkung." (Ljubisa Tosic, 9.2.2017)