Wer einen Gast von München zu den Salzburger Festspielen bringen will, muss lange Formulare ausfüllen.

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Wien – Der Oberste Gerichtshof hat kürzlich im Fall eines Mietwagenfahrers entschieden, dass dieser für die in Deutschland erbrachten Arbeitsleistungen nicht nach dem deutschen Mindestlohngesetz (MiLoG) bezahlt werden muss (29. 11. 2016, 9 ObA 53/16h). Dieses Gesetz trat 2015 in Kraft und soll auch Lohndumping durch ausländische Dienstleister in Deutschland verhindern.

Neben der Zahlung eines Mindestlohns von 8,50 Euro (seit 2017 8,84 Euro) sind damit umfassende Melde- und Dokumentationspflichten verbunden. Bei Unterentlohnung oder Verletzung der Meldepflichten drohen Verwaltungsstrafen von bis zu 500.000 Euro.

Seither wird insbesondere die Frage kontrovers diskutiert, ob das Gesetz auch auf bloße Transitfahrten durch Deutschland Anwendung findet. Die europäische Transport- und Logistikbranche läuft dagegen Sturm, Gerichtsverfahren in Deutschland sowie ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission sind anhängig.

In Deutschland erbrachte Arbeitsleistungen

In dem entschiedenen Fall hat der Kläger regelmäßig Fahrgäste von ihrem Wohnsitz in Salzburg und Umgebung zum Flughafen in München chauffiert und sie von dort wieder abgeholt. Darüber hinaus versah er gelegentlich Dienste am Flughafenschalter seines Dienstgebers in München.

Für die im Jänner 2015 in Deutschland erbrachten Arbeitsleistungen verlangte er den vom MiLoG vorgesehenen Stundenlohn von 8,50 Euro – und klagte auf eine Nachzahlung von 125,46 Euro brutto.

Der OGH stellte zunächst fest, dass das Arbeitsverhältnis grundsätzlich dem österreichischen Recht unterlag. Im nächsten Schritt war zu klären, ob es sich beim MiLoG um eine "Eingriffsnorm" handelt, die ungeachtet des sonst auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Rechts anzuwenden ist. Diese Frage verneinte das Höchstgericht mit dem Argument, dass das MiLoG Arbeitnehmer vor zu niedrigen Löhnen und (deutsche) Arbeitgeber vor Lohndumping schützen wolle.

Da der Arbeitnehmer in Österreich lebe und sich nur kurzfristig in Deutschland aufhalte, seien die (höheren) deutschen Lebenshaltungskosten für ihn kein Problem. Die Gefahr von Lohndumping sah der OGH ebenfalls nicht, da unter Berücksichtigung der kollektivvertraglichen Sonderzahlungen der dem Kläger gezahlte Stundenlohn 8,14 Euro brutto ausmachte – nicht viel weniger als die im MiLoG vorgesehenen 8,50 Euro.

Kampf gegen Lohndumping

In Österreich finden sich die Vorschriften gegen Lohndumping seit Jahresanfang im Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG). Bei Unterentlohnung drohen Verwaltungsstrafen von bis zu 10.000 Euro (im Wiederholungsfall: 20.000 Euro) für jeden betroffenen Arbeitnehmer. Der Strafrahmen steigt auf 20.000 bzw. 50.000 Euro, wenn mehr als drei Arbeitnehmer betroffen sind.

Auch hierzulande üben Wirtschaftsvertreter an den Vorschriften und ihrer Vollziehung durch die Behörden teilweise heftige Kritik. Die Regelungen vieler Kollektivverträge seien zu komplex und unbestimmt, um eine ungewollte Unterentlohnung von Arbeitnehmern auszuschließen.

Noch schwerer aber haben es ausländische Arbeitgeber, deren Arbeitnehmer in Österreich tätig werden sollen. Möchte etwa ein deutsches Mietwagenunternehmen Fahrgäste aus München zu den Salzburger Festspielen bringen, so muss es vorher eine Meldung an die "Zentrale Koordinationsstelle" im Finanzministerium erstatten. In dem elektronischen Formular sind umfangreiche Angaben zu machen, unter anderem zur Höhe des für den Arbeitnehmer in Österreich geltenden kollektivvertraglichen Mindestlohns.

Für Mietwagenunternehmen ist dieser einfach zu ermitteln. In Salzburg haben Mietwagen- und Taxifahrer seit 2012 Anspruch auf einen Mindestlohn von 1050 Euro brutto, verschiedene Lohngruppen oder Biennalsprünge sind nicht vorgesehen. Wenn jedoch das ausländische Unternehmen mehrere Gewerbe ausübt, bedarf die Ermittlung des anwendba- ren Kollektivvertrags spezieller Kenntnisse des österreichischen Arbeitsrechts.

Verwaltungsstrafen bis zu 20.000 Euro

Zusätzlich zur Meldeerklärung sind folgende Unterlagen über Sozialversicherung und Entlohnung im Fahrzeug mitzuführen (oder elektronisch zugänglich zu machen): Arbeitsvertrag, Lohnzettel, Lohnzahlungsnachweise, Lohnaufzeichnungen, Arbeitszeitaufzeichnungen und Unterlagen über die Lohneinstufung – das meiste davon auf Deutsch. Verstöße gegen die Pflicht zur Meldung oder zur Bereithaltung der Unterlagen werden mit Verwaltungsstrafen von bis zu 20.000 Euro geahndet.

Im Hinblick auf diesen hohen administrativen Aufwand werden es sich wohl auch Unternehmen in Hochlohnländern wie Deutschland zweimal überlegen, bevor sie Arbeitnehmer in Österreich einsetzen. In der oben dargestellten Entscheidung qualifizierte der OGH jedenfalls die mit der letztlich verneinten Anwendung des MiLoG für den österreichischen Arbeitgeber verbundenen Melde- und Dokumentationspflichten als "gravierend".

Ob die mit dem LSD-BG für ausländische Arbeitgeber verbundenen, wesentlich höheren administrativen Lasten mit der Dienstleistungsfreiheit innerhalb der EU vereinbar sind, werden hingegen vermutlich bald die EU-Kommission und der Europäische Gerichtshof zu klären haben. (Andreas Tinhofer, 7.2.2017)