Dicke Schläuche ergeben noch lange keine realistischen Werte. Bei der Ermittlung von Kraftstoffverbrauch und Schadstoffemissionen wird an allerhand Schräubchen gedreht.

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Ab Herbst wird es ernst. Die Messung von Abgas- und Spritverbrauchswerten für Pkws wird realistischer, zumindest ein bisschen. Nach dem Auffliegen des VW-Abgasskandals konnte niemand mehr die Augen davor verschließen, dass die von den Herstellern angegebenen Werte schon lange nichts mehr mit der Realität auf den Straßen zu tun haben.

Laut dem Forscherverbund ICCT (International Council on Clean Transportation), der den Abgasskandal bei VW ins Rollen brachte, stoßen einige der modernsten Diesel-Pkws doppelt so viel giftige Stickoxide (NOx) aus wie neue Lastwagen – ganz legal und unerfreulich für Umwelt und Gesundheit. Höchste Zeit für ein neues Prüfregime. Heuer geht es los: Der WLPT-Zyklus löst NEFZ (siehe Wissen) ab. Die Vorbereitungen dafür laufen.

Prüfzentrum an der Grenze

Das deutsche Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) richtet an der dänischen Grenze ein Prüfzentrum ein. Um die Abgase zufällig ausgewählter Fahrzeuge einem "Dopingtest" zu unterziehen, wurden Instrumente zur Messung auf den Straßen angeschafft. Derzeit ist das KBA auf Angaben externer Dienstleister angewiesen. Dabei wurde nicht nur unter unrealistischen Bedingungen und Anwendung aller möglichen legalen Tricks wie Ausschalten der Klimaanlagen oder passender Adjustierung des Reifendrucks geprüft, auch mögliche Abhängigkeiten von den Autoherstellern wurden kritisiert.

Schrittweise sollen diese Gepflogenheiten nun einer realistischen Betrachtungsweise weichen. Die Tests in den Labors werden länger, vergleichbarer und sukzessive durch "Real Driving Emission" (RDE), die Prüfung auf den Straßen, ergänzt, denn in den Labors landen laut ICCT oft spezielle Prototypen. Zunächst geht es nur um Stickoxid-Emissionen, später auch um die Partikelzahl. Am Ende, so der Plan, sollen Konsumenten und Behörden tatsächlich wissen, wie hoch der Spritverbrauch ist und wie viel Dreck ein Auto ausspuckt.

Großzüge Fristen

Doch noch ist diese Realität in weiter Ferne. Vor allem die Mitgliedstaaten mit nennenswerter Autoindustrie erwirkten zahlreiche großzügige Übergangsfristen. So bleibt der NEFZ-Zyklus noch eine Weile als Standard-Referenzgröße erhalten: Die Hersteller dürfen ihn zur Ermittlung des von der EU vorgegebenen Grenzwerts von 95 Gramm CO2-Ausstoß bis 2020 nutzen. Auch hierzulande wird er noch gebraucht. Denn bei einigen Modellen wird nach der neuen Methode der CO2-Ausstoß steigen.

Das wird sich auf die Berechnung der Normverbrauchsabgabe (NoVA) auswirken. Bis 2019 will Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) die NoVA nach NEFZ berechnen. Sollte sich herausstellen, dass manche Klassen besser aussteigen, will man sich etwas überlegen: "Wir wollen nicht, dass es zu höheren Belastungen für Autofahrer kommt." Bei der jüngsten Steuerreform wurde etwa bei der Versicherungssteuer an Schräubchen gedreht.

Viel höhere Emissonen

Überlegt es sich der Finanzminister anders, gibt es wohl lange Gesichter: "Bei CO2 wird sich das deutlich auswirken", sagt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. Citroën habe eines seiner meistverkauften Autos ähnlich getestet. "Das ergab 40 Prozent mehr Emissionen im realen Fahrverhalten."

Zunächst einmal werden die Werte allenfalls um zehn Prozent realistischer. Von der Wahrheit ist man also weit entfernt.

Auf EU-Ebene wird indes heftig lobbyiert. Die Kommission hat durchaus brisante Vorschläge vorgelegt, um neben dem neuen Prüfszenario auch Kontrollmechanismen zu etablieren. Klare Prüfzulassungsvorschriften und strengere Marktkontrolle lautet der Tenor. An Details wird noch gefeilt. Der Praxis, dass sich die Hersteller quasi ihre Prüfinstitute aussuchen, will man einen Riegel vorschieben und im Ernstfall in eigenen Instituten prüfen.

Mehr Kontrolle gefordert

Die Gesetzgeber im Rat und EU-Parlament haben die Verhandlungen erst begonnen. Am 9. Februar wird erst einmal im Binnenmarktausschuss über zahlreiche Abänderungsanträge abgestimmt. Franz Greil, Verkehrsexperte der Arbeiterkammer, geht davon aus, dass die Verordnung nicht ohne Abstriche kommt. Dabei sei gerade die Kontrolle wichtig: "Im Vergleich zu den USA sind die Regulierung und der Vollzug von Vorschriften in der EU erbärmlich."

Setzt sich die Kommission durch, kommen auch strengere Strafen. In Europa hätte VW 5000 Euro Verwaltungsstrafe ausgefasst, insgesamt. Daraus sollen 20.000 werden – pro Pkw. Das entspricht dem Strafmaß in den USA. Dort muss VW, im Gegensatz zur EU, Milliarden an Konsumenten und Behörden zahlen. (Regina Bruckner, 6.2.2017)