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Kataloniens früherem Ministerpräsidenten Artur Mas drohen bis zu zehn Jahre Haft.

Foto: Reuters / Albert Gea

Der ehemalige Präsident der katalanischen Autonomieregierung Artur Mas steht seit heute, Montag, vor Gericht. Der Oberste Gerichtshof Kataloniens in Barcelona beschuldigt ihn sowie seine Stellvertreterin Joana Ortega und die ehemalige katalanische Bildungsministerin Irene Rigau des Ungehorsams, der Rechtsbeugung und des Amtsmissbrauchs. Der Grund: Mas und seine Regierung führten am 9. November 2014 eine unverbindliche Volksbefragung durch, in der die Katalanen ihre Meinung zur Unabhängigkeit der nordostspanischen Region oder zum Verbleib bei Spanien zum Ausdruck bringen konnten. Wenige Tage vor der Befragung wurde diese vom spanischen Verfassungsgericht als nicht verfassungskonform verboten. Die Befragung gab es trotzdem.

2,2 der 6,3 Millionen wahl berechtigten Katalanen gingen an die Urnen. 80,7 Prozent stimmten für die Loslösung von Spanien; mehr als ein Achtungserfolg für die Unabhängigkeitsbewegung.

Mas drohen nun zehn Jahre Ämterverbot, seinen Mitangeklagten jeweils neun Jahre. "Das Verfahren hat keinerlei rechtliche Grundlage", beschwert sich Mas. Er und die beiden Mitangeklagten werden nicht alleine vor Gericht erscheinen: Die nationalistischen katalanischen Parteien sowie mehrere Unabhängigkeitsinitiativen kündigten an, über 15.000 Demonstranten mobilisieren zu wollen. Sie sehen hinter der Anklage, die auf Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zurückgeht, die lange Hand der konservativen Regierung Madrids. Der dort regierende Mariano Rajoy lehnt ein Unabhängigkeitsreferendum ab: Die Verfassung sehe es nicht vor. Und sie zu ändern, ist er nicht gewillt.

"Schluss jetzt!"

Das Verfahren sei der Anfang des "Countdown zur Unabhängigkeit", erklärt der Nachfolger von Artur Mas, Carles Puigdemont. "Der Staat wird sehen, dass es ein schwerer Fehler ist, lieber vor Gericht statt in der Politik sprechen zu wollen. Sie werden sehen, dass die Zeit knapp wird", warnt der katalanische Präsident. "Das ist ein Volk, das sich würdig genug fühlt zu sagen: Schluss jetzt!", sagt Puigdemont zu einer Demo vor dem Gerichtsgebäude.

Puigdemont will – so hat er es bei den Wahlen vor etwas mehr als einem Jahr versprochen und mit seinem Koalitionspartner fest vereinbart – bis spätestens September eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit abhalten. Am liebsten wäre ihm eine Einigung mit Madrid, um die Abstimmung wie einst in Schottland ganz offiziell durchzuführen. Sollte sich Madrid stur stellen, will er auch ohne Einigung mit der Zentral regierung die Urnen aufstellen lassen. Was dann passiert, ist völlig unklar. Rein rechtlich könnte Rajoys Regierung die katalanische Autonomie dann aufheben lassen. Doch wie dies gegen eine rebellische Regierung durchgesetzt werden soll, weiß keiner zu sagen.

Die Regierung Rajoys denkt jedenfalls nicht daran, den Dialog zu suchen. "Wir werden auf gar keinen Fall ein Referendum zulassen", erklärt der Staatssekretär für öffentliche Verwaltung der Regierung in Madrid, Roberto Bermúdez de Castro. Ob Madrid die Autonomie der Katalanen ganz oder teilweise aussetzen werde, könne er nicht sagen, "ohne zu wissen, was genau sie tun". (Reiner Wandler aus Madrid, 6.2.2017)