Die Begeisterung für Christian Kern sei nach wie vor vorhanden, sagt Parteimanager Georg Niedermühlbichler.

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STANDARD: Viele Kritiker, auch aus den eigenen Reihen, vermissen die Handschrift der SPÖ im neuen Regierungsprogramm. Die ÖVP jubelt. Bei Ihnen hält sich die Begeisterung in Grenzen, oder?

Niedermühlbichler: Wenn man so jubelt, versucht man meist mehr darzustellen, als es ist. Es ist aber nicht um die Handschrift der SPÖ oder der ÖVP gegangen. Christian Kern war es wichtig, dass etwas weitergeht. Deswegen hat er darauf bestanden, dass etwas geliefert werden muss, dass der Stillstand aufgelöst wird. Das neue Programm kann sich sehen lassen. Natürlich sind auch einige Punkte drin, bei denen auch wir über unseren Schatten gesprungen sind. Es geht darum zu zeigen, dass die Regierung arbeitet. Es ist klar, dass das kein SPÖ-Parteiprogramm sein kann.

STANDARD: War dieser Theaterdonner mit Ultimatum und Neuwahldrohung notwendig? Wäre das nicht leichter gegangen?

Niedermühlbichler: Das bezweifle ich. Der Plan A ist ein Angebot an die Bevölkerung, aber auch an die anderen Parteien. Die ÖVP hat das nicht für relevant gehalten. Deshalb hat Kern zu Recht gesagt: Jetzt ist Schluss mit lustig. Entweder man einigt sich auf ein Programm, oder man lässt es sein, weil sonst die Regierung keinen Sinn hat. Viele in der Regierung, darunter ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner, wollten weiterarbeiten. Aber es hat durchaus andere gegeben, die das anders gesehen haben. Da gibt es jetzt eine Klarstellung und entsprechende Beschlüsse.

STANDARD: Aber auch das Zustandekommen dieses Arbeitsübereinkommens war von Streitereien überschattet. Glauben Sie wirklich, dass die Koalition jetzt freudig zusammenarbeitet?

Niedermühlbichler: Es hat harte Verhandlungen gegeben, alle haben unterschrieben. Es ist manchmal auch sehr sehr eng geworden, aber letztlich ist das Programm da. Das wird jetzt umgesetzt.

STANDARD: Wie lang wird dieser Friede halten?

Niedermühlbichler: Die Regierung hat sich vorgenommen, dieses Programm bis 2018 umzusetzen. Jeder, der sich nicht daran hält oder glaubt, nach eigenen Spielregeln spielen zu müssen, muss das vor den Wählern rechtfertigen. Ich glaube, jeder in der Regierung hat den Wink verstanden. Kern hat Leadership in die Regierung eingebracht.

STANDARD: Kann man eine Regierung tatsächlich so führen wie ein Manager die ÖBB?

Niedermühlbichler: Ob sie sich so führen lässt, weiß ich nicht, aber eine gewisse Führungskraft ist notwendig. Wir brauchen mehr Managertum in der Regierung, mehr Unternehmergeist. Und weniger dieses Hin und Her der Politik. Kern geht diesen neuen Weg. Das müsste jetzt auch die ÖVP gemerkt haben. Ihm ist es ernst, die Dinge auf den Boden zu bringen.

STANDARD: Innenminister Sobotka ist offenbar mit Maximalforderungen in die Verhandlungen gegangen und war selbst überrascht, was alles durchgegangen ist. Können Sie das Sicherheitspaket mit allen Überwachungsmaßnahmen mittragen?

Niedermühlbichler: Es gibt das Bedürfnis der Bevölkerung nach mehr Sicherheit, dem muss man auch gerecht werden. Wir haben darauf geschaut, dass die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden. Dass Staatsanwaltschaft und Gerichte eingebunden werden müssen. Ich kann mit diesem Paket, wie es vorliegt, ganz gut leben. Wenn sich herausstellt, dass ein Vorhaben den gesetzlichen Vorgaben nicht standhält, müssen wir noch einmal darüber reden. Ich gehe nicht davon aus, dass die ÖVP Gesetze biegen will. Der Innenminister wohl auch nicht.

STANDARD: Der Parteitag der SPÖ für 2017 ist abgesagt. Die Jugendorganisationen beklagen, dass die innerparteiliche Demokratie unter der Räder kommt. Beim letzten Parteitag, als Kern gewählt wurde, waren keine Anträge zugelassen, es gab auch keine inhaltliche Diskussion. Der Plan A wurde mit den Parteifunktionären nicht abgestimmt, zum neuen Regierungsprogramm gab es ebenfalls keine Abstimmung. Das schaut nach einer One-Man-Show von Christian Kern aus.

Niedermühlbichler: Der Parteitag wird 2018 stattfinden. Wir brauchen mehr Zeit für das Parteiprogramm und die Organisationsreform. Kern weiß auch sehr gut, wie weit er gehen kann, was er der Partei zumuten kann. Er ist ja nicht außerhalb der SPÖ. Der Plan A war mit den Landesvorsitzenden abgestimmt. Aber das ist kein Parteiprogramm. Wenn man glaubt, dass man in einer Regierung das umsetzen kann, was man auf dem Parteitag beschließt, ist das realitätsfern.

STANDARD: Wäre es nicht leichter, die eigenen Leute mitzunehmen, wenn man sie mehr einbindet?

Niedermühlbichler: Ich habe nicht das Gefühl, dass wir die Menschen nicht mitnehmen. Überall, wo Kern auftritt, ist die Begeisterung riesengroß. Ich habe viel Zustimmung zum Plan A bekommen. Endlich hat die SPÖ wieder die Themenführerschaft, endlich müssen sich die anderen wieder an der SPÖ orientieren. Die Leute sind nach wie vor begeistert, nicht nur von Kern, sondern auch vom neuen Stil. Aber wir wollen und werden die innerparteiliche Demokratie stärken. Es gibt eine Organisationsreformgruppe, die der steirische Landesvorsitzende Michael Schickhofer in die Hand genommen hat.

STANDARD: Wird diese Zuspitzung, wie sie 2015 in Wien stattgefunden hat, Häupl gegen Strache, auch auf Bundesebene so noch einmal funktionieren? Kern geht auf die FPÖ doch anders zu, er hat die Ausgrenzung mehr oder weniger beendet. Er hat unter anderem festgestellt, dass es zwei Kräfte gibt, die das Land verändern wollen. Das seien die SPÖ und die FPÖ. Die ÖVP kam da nicht vor.

Niedermühlbichler: Das ist falsch interpretiert worden. Er hat gemeint, dass es zwei Parteien gibt, die Österreich verändern wollen, die SPÖ in die richtige Richtung, die FPÖ in die falsche. Die ÖVP ist eine konservative Partei, das bedeutet im Wortsinn bewahrend und nicht verändernd. Ich weiß nicht, warum die ÖVP da so angerührt ist.

STANDARD: Aber grundsätzlich pflegt Kern jetzt einen anderen Umgang mit der FPÖ als noch Werner Faymann, der da voll auf Konfrontation gegangen ist.

Niedermühlbichler: Wir wollen auch die Wähler und Sympathisanten der FPÖ ansprechen, das funktioniert nicht, wenn wir die FPÖ ausgrenzen. Wenn wir mit den Wählern der FPÖ in Verbindung treten wollen, muss ich auch eine ordentliche Gesprächsbasis mit deren Repräsentanten haben.

STANDARD: Lässt das Rückschlüsse auf eine mögliche Koalition mit der FPÖ zu?

Niedermühlbichler: Wir haben noch Zeit, ich gehe einmal von 18 Monaten bis zur nächsten Wahl aus.

STANDARD: Und wenn vorher gewählt wird? Dann ist Ihr Kriterienkatalog noch nicht einmal fertig.

Niedermühlbichler: Unser Ziel ist es, möglichst stark zu werden und eine Mehrheit jenseits von Schwarz-Blau zusammenzubringen. Am Kriterienkatalog arbeiten wir, dann steht fest, was unsere Anforderungen an einen potenziellen Koalitionspartner sind. Wir wollen über Inhalte reden.

STANDARD: Ausgeschlossen ist eine Koalition mit der FPÖ aber nicht?

Niedermühlbichler: Ich schließe nichts aus, aber es geht erst einmal um Inhalte, nicht um mögliche Koalitionsvarianten. Wir müssen uns jetzt auf Wahlen vorbereiten und die SPÖ kampagnenfähig machen. Das ist meine Aufgabe. Wir wollen ein Wahlergebnis jenseits der 30 Prozent. Schauen wir einmal, vielleicht geht sich Schwarz-Blau gar nicht aus und es gibt auch andere Optionen.

STANDARD: Kanzler Kern drohte in der vergangenen Woche mit Neuwahlen. Hatten Sie für diesen Fall schon eine Notfallkampagne in der Hinterhand?

Niedermühlbichler: Nein, hatten wir nicht. Und Kern hat nicht geblufft, es war Spitz auf Knopf.

STANDARD: Da wären Sie ohne Kampagne dagestanden?

Niedermühlbichler: Wie alle anderen auch. Aber da hätte ich mir und meinem Team schon zugetraut, etwas Brauchbares aufzustellen. Aber ich bin sehr froh, dass wir noch Zeit haben.(INTERVIEW: Michael Völker, 4.2.2017)