SPÖ und ÖVP haben ihrem Regierungsprogramm ein Update verpasst. Das ist durchaus sinnvoll – und nicht nur, weil die führenden Akteure auf beiden Seiten seit den Regierungsverhandlungen 2013 gewechselt haben.

Koalitionsabkommen dienen zuerst einmal dazu, dass sich die beteiligten Parteien öffentlich zu einem gemeinsamen Programm bekennen. Im Ökonomen-Sprech werden damit die Transaktionskosten für die Zusammenarbeit in der Regierung gesenkt: Nicht jede Materie muss später noch einmal komplett neu verhandelt werden, wodurch das Regieren insgesamt effizienter vonstattengehen kann. Außerdem reduzieren Koalitionsabkommen mögliche Abstimmungsprobleme zwischen Kabinett und einzelnen Ministern und begrenzen die Tendenz von Mehrparteienregierungen zu höheren Staatsausgaben.

Koalitionsabkommen können aber auch die Übersetzung von Wählerpräferenzen in Regierungspolitik befördern. Die erste Grafik zeigt, dass Koalitionen tendenziell niedrigere Umsetzungsquoten bei Wahlversprechen haben (eine ältere Version der noch unveröffentlichten Studie, auf der die Daten basieren, gibt es hier). Die fünf erstgereihten Länder hatten im Untersuchungszeitraum hauptsächlich Einparteienregierungen, während die Länder am unteren Ende meist von Koalitionen regiert wurden.

Dieses Ergebnis ist wenig überraschend. In Mehrparteienregierungen sind Kompromisse notwendig, besonders wenn – wie in Österreich üblich – Parteien mit sehr unterschiedlichen programmatischen Vorstellungen gemeinsam regieren. Koalitionsparteien setzen daher weniger Wahlversprechen um als Parteien, die allein regieren (das gilt selbst dann, wenn Einparteienregierungen keine parlamentarische Mehrheit haben).

Eine Studie über die Regierungen Schüssel und Gusenbauer zeigt, dass die Wahrscheinlichkeit der Umsetzung um rund 17 Prozentpunkte steigt (nach Kontrolle für andere Einflussfaktoren), wenn ein Wahlversprechen nicht nur im Wahlprogramm steht, sondern auch ins Koalitionsabkommen aufgenommen wird. Für die Regierung Faymann I war dieser Effekt noch größer (siehe auch hier und hier).

Auch wenn das jetzt ausverhandelte Update des Regierungsprogramms weniger auf den Wahlprogrammen der Parteien, sondern mehr auf den programmatischen Reden von Bundeskanzler Kern (SPÖ) und Finanzminister Schelling (ÖVP) sowie den Ideen der Minister Sobotka und Kurz (beide ÖVP) beruht: Je konkreter ein Arbeitsprogramm ausverhandelt ist, desto leichter ist es für die Öffentlichkeit vor der nächsten Wahl, die Bilanz der Regierung zu bewerten.

Egal wie man also zu den jetzt beschlossenen Inhalten stehen mag: Ein programmatisches Dokument, das am Ende die Rechenschaftspflicht der Regierungsparteien gegenüber den Wählern stärkt, ist aus demokratiepolitischer Sicht eindeutig zu begrüßen. (Laurenz Ennser-Jedenastik, 4.2.2017)