"Vergessen wir nicht, "4.0" ist nur eine Metapher, ein Synonym", schreibt der beim Automatisierungstechnik- und technischen Ausbildungsunternehmen Festo für Österreich zuständige Rainer Ostermann.

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Kaum ein Thema hat die Industrie in den letzten Jahren dermaßen bewegt wie der Hype rund um die vierte industrielle Revolution. Alles wird 4.0. Jeder springt auf den Zug auf, und dann wird richtig oder auch nur ein bisschen Gas gegeben. Der Begriff hat sich zum universellen PR-Turbo entwickelt.

Alles nur hohle Phrasen? Aus meiner Sicht nicht. Denn bei genauerem Hinschauen zeigt sich, dass neben dem kommunikativen Kalkül immer ein verbindendes Element im Spiel ist: die Digitalisierung. Alles wird digitalisiert und vernetzt – Maschinen, Prozesse und sogar Menschen werden eingebunden. So sieht die 4.0-Welt aus.

Erfolgsfaktor Weiterbildung

In der Industrie und vielen anderen Berufsbereichen sind möglichst schlanke, flexible Prozesse gefragt – die Digitalisierung turboisiert dieses Anliegen. Sie erlaubt die Ein- und Anbindung aller Beteiligten über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg, und das weit über die eigene Produktion hinaus. Aus Lieferanten werden digital vernetzte Partner, und Kunden werden zu Informanten, deren automatisch übermitteltes Nutzungsverhalten zur (Weiter-)Entwicklung neuer oder bereits bewährter Produkte beiträgt.

Das hat deutliche Auswirkungen auf die Berufswelt, ist aber nicht zwingend immer zum Fürchten. Denn wer sich der eigenen und beruflichen steten Entwicklung verschrieben hat, weiß mit diesen Einflüssen umzugehen. Aber das war schon immer so – lange vor der Digitalisierung. Der Aus- und Weiterbildung kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, denn in einem sich ständig wandelnden hochflexiblen Umfeld wird die Bereitschaft zur Weiterbildung zum essenziellen Erfolgsfaktor – sowohl für Unternehmen als auch für die Mitarbeiter.

Etliche Personalverantwortliche haben das erkannt und setzen nicht nur auf innovative und neue Recruiting-Methoden, sondern vor allem auf die Qualifizierung der bestehenden Crew. Ein Engagement, das Arbeitgeber der Zukunft attraktiv macht, aber auch ein "Must" darstellt. Denn Industrie 4.0 verlangt einerseits nach neuen fachlichen Kompetenzen und andererseits nach agilen Kompetenzen wie jener der Wandlungsfähigkeit. Aber wissen die Mitarbeiter überhaupt, was Industrie 4.0 für die Welt von morgen bedeutet?

Viel zu verlieren

Eine für das Trendbarometer 2016 unter Industriemitarbeitern durchgeführte Umfrage bestätigt den Zusammenhang zwischen dem höchsten formalen Bildungsabschluss und dem persönlichen Zugang zu Industrie 4.0. Je höher der Bildungsgrad, desto größer ist das Wissen über Industrie 4.0, und desto höher ist auch die Erwartungshaltung in Hinblick auf die weitere Entwicklung in dieser Richtung. Gleichzeitig geben Mitarbeiter mit einem formal niedrigeren Bildungsabschluss häufiger an, mehr Informationen zum Thema Industrie 4.0 zu benötigen. Genau umgekehrt verhält es sich mit der Sorge um den Arbeitsplatz. Je höher das Ausbildungsniveau, desto geringer sind die Befürchtungen hinsichtlich eines Jobverlustes.

Die Digitalisierung und ihre Folgen dürfen jedoch nicht vorrangig ein Thema der Bildungselite bleiben. Denn sie betrifft uns alle. Die Frage ist also: Was machen wir daraus? Wie wollen wir diese Möglichkeiten nutzen, und was ist die Vision dahinter?

Vergessen wir nicht, "4.0" ist nur eine Metapher, ein Synonym. Wer weiß, wo er hin will und das Ruder ergreift, der ist schneller auf dem richtigen Kurs – Zwischenstation 4.0 inklusive. Aber: Ist das wirklich neu? (6.2.2017)