Wien – Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) will das Demonstrationsrecht deutlich einschränken. Wie die "Presse" am Donnerstag berichtete, sollen Demonstrationen verboten werden können, wenn damit Geschäftsinteressen bedroht würden. Außerdem soll künftig ein "Versammlungsleiter" für Sachbeschädigungen durch Demonstranten haften.

Sobotka hatte nach Demonstrationen türkischer Österreicher gegen den Putschversuch in der Türkei im vergangenen Juli eine Prüfung des Versammlungsrechts angekündigt. Die SPÖ hatte damals keinen Änderungsbedarf gesehen und auf das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit verwiesen.

Leiter soll zivilrechtlich haften

Wie der Innenminister nun sagt, soll ein "Versammlungsleiter" künftig zivilrechtlich haften, wenn bei einer Demo etwa Schaufenster zu Bruch gehen. Scheint kein Versammlungsleiter auf, soll der Behördenvertreter feststellen, wer die Demonstration leitet.

Außerdem soll die Regierung beziehungsweise der Innenminister per Verordnung ein Demonstrationsverbot erlassen können, wenn berechtigte Interessen verletzt würden – etwa weil Geschäfte wirtschaftliche Einbußen fürchten müssen oder massive Verkehrsbehinderungen drohen.

"Spaßdemos" will Sobotka dem Bericht zufolge untersagen lassen, für Gegendemonstrationen einen Mindestabstand von 150 Metern festlegen und die Frist zur Anmeldung von Kundgebungen von 24 auf 72 Stunden erhöhen. Über einen fertigen Gesetzesentwurf verfügt Sobotka aber noch nicht.

SPÖ gegen Einschränkung

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler ist gegen eine Einschränkung: "Das Demonstrationsrecht ist ein hohes Gut, mit dem sollte man nicht spielen." Als SPÖ-Vorsitzender des Bezirks Innere Stadt könne er die Sorgen der Geschäftsleute in Wien zwar nachvollziehen, eine Einschränkung der Versammlungsfreiheit sei aber kein gangbarer Weg.

Inzwischen hat sich gegen den Vorstoß des Innenministers auch eine breite Allianz der Zivilgesellschaft formiert. Der Chef der roten Gewerkschafter, Wolfgang Katzian, warf Sobotka "Ignoranz und Ahnungslosigkeit" vor und forderte die ÖVP auf, ihren Minister einzubremsen.

"Das Recht auf freie Meinungsäußerung und somit auf Demonstrationen ist aus gutem Grund in der Verfassung verankert und kann glücklicherweise nicht auf Zuruf geändert werden. Ein insbesondere von Gewerkschaften hart erkämpftes Grundrecht ist kein Spielfeld für Politiker mit Profilierungsdrang", kritisiete Katzian die "Verhaltensauffälligkeiten" Sobotkas. "Das Demonstrationsrecht ist genau wie die Pressefreiheit, das Versammlungsrecht oder das Koalitionsrecht Grundpfeiler jeder Demokratie."

"Menschenrechtswidrige Vorschläge"

Auch Heinz Patzelt von Amnesty International kritisierte im Ö1-Morgenjournal "serienweise schwerst menschenrechtswidrige, verfassungsrechtlich undenkbare Vorschläge" Sobotkas. Am Demonstrationsrecht dürfe nicht herumgedeutelt werden. Das gilt aus Patzelts Sicht auch für "Spaßdemos": "Ich nehme sehr viel lieber eine Spaßdemo in Kauf, die allen lästig ist und unzweifelhaft das Demonstrationsrecht konterkariert, als einen Innenminister und eine Regierung zu haben, die entscheidet, wer gegen sie demonstrieren darf und wer nicht."

Die Menschenrechtsorganisation SOS-Mitmensch hat bereits eine Online-Petition gegen die Beschränkung des Demonstrationsrechts gestartet. (red, APA, 2.2.2017)