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Vor allem in den Supermärkten zeigt sich das Ausmaß der Vogelgrippe in Südkorea: Experten schätzen, dass der Eiermangel noch bis zu zwei Jahre anhalten könnte.

Foto: AP Photo/Ahn Young-joon, File

Um vier Uhr morgens, während die Nachtschwärmer im hippen Fortgehviertel Itaewon noch an den Theken verharren, fängt Michael Richters Arbeitstag bereits an: Der gebürtige Deutsche ist Bäcker in dritter Generation, sein Lokal Bakers Table zählt zu den wenigen Orten in der 20-Millionen-Metropole Seoul, die waschechte Semmeln, originales Vollkornbrot und luftiges Ciabatta im Sortiment führen. Um die Süßspeisen der Konditorei ist es momentan allerdings gar nicht gut bestellt.

Die Eier sind das Problem. "Seit mehr als einem Monat sind die Preise um 40 Prozent gestiegen, natürlich tut das weh", sagt Richter, der jeden Morgen bis zu 200 Eier verarbeitet. In all den 17 Jahren, seitdem der Konditor in Südkorea wohnt, habe er so etwas noch nicht erlebt.

30 Millionen Tiere getötet

Der Eiermangel ist jedoch nur eine von vielen Auswirkungen der derzeit grassierenden Vogelgrippe-Epidemie – der schlimmsten in der Geschichte des Landes. Rund 30 Millionen Stück Geflügel wurden in diesem Winter bereits getötet. Das sind nahezu 20 Prozent des gesamten Bestandes. Mitte November begann der momentane Ausbruch. Damals wurde auf einer Farm im abgelegenen Südwesten des Landes erstmals der hochansteckende H5N6-Erreger in Korea entdeckt. Im Gegensatz zu China sind in Südkorea jedoch bislang keine Fälle menschlicher Ansteckungen bekannt.

Trotzdem fragt sich das Land, wieso sich die Influenzaviren trotz breitangelegter Quarantänemaßnahmen so rasant weiterverbreiten konnten. Schließlich hat Südkorea seit über einer Dekade bereits in regelmäßigen Abständen immer wieder mit Geflügelpestausbrüchen zu kämpfen.

Militär gerufen

Im Dezember hat das Landwirtschaftsministerium erstmals die höchste Alarmstufe ausgerufen sowie das Militär bei Desinfektionsmaßnahmen und Massentötungen in Zuchtbetrieben um Hilfe gebeten. Dennoch konnten die Behörden das Problem bislang nicht in den Griff bekommen. Bei den Ursachen verweist das Landwirtschaftsministerium vor allem auf die Zugvögel, die die Erreger ins Land brächten.

Ein Zusammenschluss aus Tierschutzorganisationen hält jedoch auch die katastrophalen Haltungsbedingungen für mitschuldig. Dass die Hühner in Käfigen von der Größe eines DIN-A4-Papiers eingepfercht leben, würde Virusausbrüche beinahe vorprogrammieren, heißt es in einer öffentlichen Stellungnahme. Zudem kritisieren die Tierrechtler, dass die Vögel bei den Massentötungen oftmals bei lebendigem Leib in mit Plastikplanen bedeckten Erdlöchern verschüttet werden.

Dass der Vogelgrippe vergleichsweise geringe mediale Aufmerksamkeit zuteilwird, hat vor allem damit zu tun, dass das Land derzeit in einer noch viel tieferen, in einer politischen Krise steckt: Derzeit treibt die Bevölkerung vor allem die Frage um, ob das Amtsenthebungsverfahren gegen die suspendierte Präsidentin erfolgreich sein wird oder nicht.

750 Millionen Euro Schaden

Die Folgen der Vogelgrippe sind dennoch immens. Ein Abgeordneter der Opposition hat den finanziellen Schaden mit umgerechnet rund 750 Millionen Euro beziffert. Allein nach heutigem Stand muss die Regierung mehr als 200 Millionen Euro an die betroffenen Bauern als Kompensation zahlen.

Laut Einschätzung von Experten könnte der Eiermangel noch bis zu zwei Jahre anhalten. So lange dauere es, bis die Züchter ihren Bestand wieder vollständig aufgebaut hätten. Mitte Jänner wurden erstmals 200 Tonnen Eier aus den Vereinigten Staaten eingeflogen. Die Regierung hatte kurz zuvor ihre Einfuhrverbote gelockert und Eierimporte aus dem Ausland subventioniert – pünktlich zum Neujahrsfest im Mondkalender, das in Korea traditionell mit reichhaltigen hausgemachten Speisen zelebriert wird.

Das birgt eine gewisse Ironie, wurde doch am Dienstag ausgerechnet das Jahr des Hahns eingeläutet. (Fabian Kretschmer aus Seoul, 3.2.2017)