Transparent vor der SP-Zentrale in Wien: Die Sozialistische Jugend vermisst die von Kanzler Kern versprochene Haltung.

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Das Zitat stammt vom Parteichef selbst, trotzdem war das Banner an der Fassade der SPÖ-Zentrale in der Löwelstraße in Wien nicht gerade willkommen. "Menschen brennen nicht für Kompromiss, sie brennen für Grundsätze und Haltungen", hat die Sozialistische Jugend auf ein überdimensionales Leintuch geschrieben und den hohen Genossen in der Nacht auf Donnerstag quasi vor die Nase gehängt. Bundeskanzler Christian Kern hat diesen Satz im Mai des Vorjahres ausgesprochen und seither so manches Vorhaben konkretisiert – doch die rote Parteijugend kann dort von ebendiesen Haltungen nur wenig entdecken.

"Mit Plan A hat Kern bereits Gesamtschule und Vermögenssteuer über Bord geworfen und plötzlich die Arbeitszeitflexibilisierung zur eigenen Forderung erklärt", kritisiert SJ-Vorsitzende Julia Herr. Im jüngst ausgehandelten Update des Regierungsprogramms seien die Grundsätze dann "völlig unter die Räder gekommen". Wo blieben die gerechte Steuerpolitik, das ambitionierte Arbeitsmarktprogramm, die Bildungsmilliarde, fragt Herr: Wer die Heizkosten kaum zahlen könne, dem würden ein Start-up-Paket und ein Burkaverbot reichlich wenig helfen.

"Selbstbewusst in Neuwahlen gehen"

Statt über soziale Gerechtigkeit werde über ein Kopftuchverbot gesprochen, ärgert sich Herr und kritisiert, dass sich die SPÖ für Verschärfungen im Asylrecht "auf dem Rücken der Flüchtlinge" sowie ein problematisches Integrations- und Sicherheitskonzept inklusive "maßloser Überwachung und teils rassistischer Züge" hergebe: Wenn das der Preis für eine Koalition mit der ÖVP sei, solle die SPÖ lieber aussteigen – und mit linken Visionen "selbstbewusst in Neuwahlen gehen".

Die Sozialistische Jugend ist nicht die einzige Stimme im sozialdemokratischen Nachwuchs, die hart mit den neuen Regierungsplänen ins Gericht geht. Eva Maltschnig, Vorsitzende der aufmüpfigen Sektion 8 der SPÖ Alsergrund, kritisiert in einem Kommentar der anderen im STANDARD, dass die SPÖ der ÖVP einmal mehr entscheidende Anliegen geopfert habe, und fordert: "Wir müssen einfach raus aus dieser Koalition." (Gerald John, 2.2.2017)