Brüssel – Die Auflagen für den Wechsel von EU-Beamten und Politikern in den Lobbyismus sind nach Einschätzung von Transparency International unzureichend. "Viele, die die EU-Institutionen und im besonderen die Politik verlassen, gehen jetzt Tätigkeiten nach, bei denen Interessenskonflikte nicht ausgeschlossen werden können", schreiben die Autoren eines am Dienstag in Brüssel vorgestellten Berichts.

"Es geht uns nicht darum, jede Art von Wechsel zu verbieten", sagte Daniel Freund, einer der Autoren des Papiers. Die Vorkehrungen gegen den Missbrauch von Einfluss früherer EU-Kommissare seien aber zu lasch. Für EU-Abgeordnete gebe es sogar keinerlei Auflagen. "An dem Tag, an dem sie aus dem Amt scheiden, können sie machen, was sie wollen", sagte Freund.

Von 485 früheren EU-Abgeordneten, die das Parlament nach den letzten Wahlen 2014 verließen, sind dem Bericht zufolge 171 Personen keine aktiven Politiker mehr. Von diesen arbeiteten 30 Prozent für Organisationen, die im europäischen Lobby-Register eingetragen sind, darunter auch sieben frühere deutsche Abgeordnete. Was aber nicht bedeuten muss, dass sie aktive Lobbyisten sind: In der Datenbank sind neben Beraterfirmen oder Branchenverbänden etwa auch Universitäten erfasst. 26 Ex-Parlamentarier arbeiten laut Transparency indes direkt für Beraterfirmen, die EU-Politik beeinflussen wollen.

Bei EU-Kommissaren ist der Wechsel in die Privatwirtschaft laut Transparency noch weitaus üblicher als bei Abgeordneten. Mehr als die Hälfte der 27 EU-Kommissare, die seit 2009 die Brüsseler Behörde verlassen haben, arbeiteten nun für eine Organisation mit Eintrag im EU-Lobbyregister.

Für die ersten 18 Monate nach dem Ausscheiden aus dem Amt gelten noch klare Auflagen und danach die in den EU-Verträgen verankerte Pflicht, "ehrenhaft und zurückhaltend" zu sein. Zuletzt hatten der frühere Kommissionschef Jose Manuel Barroso mit seinem Wechsel zur Investmentbank Goldman Sachs für Aufsehen gesorgt. Die EU-Kommission selbst sieht ihre Regeln unter den strengsten weltweit.

Transparency sieht ein "Systemproblem" und verlangt Reformen, etwa eine "Abkühlperiode" von drei statt bisher eineinhalb Jahren für ehemalige EU-Kommissare. Für Ex-Parlamentarier fordert die Organisation ein Lobbyverbot für die EU-Institutionen, solange sie noch ein Übergangsgeld aus Steuergeldern erhalten. Längerfristig plädiert Transparency für eine unabhängige Behörde, die mögliche Interessenskonflikte im Blick behalten soll. Als vorbildlich stuft sie Regelungen in Kanada und Frankreich ein. (APA/dpa, 31.1.2017)