Wien – Tiefe Einblicke in den Alltag der Großfamilie des Begründers der Psychoanalyse gibt die neue Ausstellung "'Der Wohnung geht es gut'. Die Freuds in der Berggasse 19". "Wir wollen dem privaten Leben der Freuds mehr Platz im Museum geben", sagte die Direktorin des in der einstigen Wohnung der Familie eingerichteten Museums, Monika Pessler.

Für den Bezug der Wohnung in der heute weltbekannten Anschrift in der Berggasse 19 in Wien-Alsergrund entschied sich Sigmund Freud im Jahr 1891 aus einem Impuls heraus, wie Kuratorin Daniela Finzi ausführte. Die von Freud, seiner Frau Martha, den sechs Kindern und seiner Schwägerin Minna Bernays bewohnten Räumlichkeiten sollten bis zur Vertreibung der Familie durch die Nazis im Jahr 1938 zum Lebensmittelpunkt der Familie und zu einem wichtigen intellektuellen Fixpunkt in Wien werden.

Familienunternehmen

Bei den Freuds habe es sich auch um eine Art "Familienunternehmen" gehandelt, in das zunehmend auch die Kinder – allen voran Tochter Anna Freud – eingebunden waren, wie die wissenschaftliche Leiterin des Museums ausführte. Im Zentrum der neuen Schau in den straßenseitigen Räumen stehen daher die zahlreichen Aufzeichnungen ihrer ebenfalls zahlreichen Bewohner.

Unter den laut Finzi geschätzten 20.000 Briefen Freuds, von denen etwa die Hälfte erhalten und großteils wissenschaftlich aufgearbeitet ist, sind auch zahlreiche Korrespondenzen mit Familienmitgliedern. Diese ermöglichen nun ungewöhnliche Einblicke in die Organisation des pulsierenden Lebens und in den Umgang miteinander.

Arbeit und Alltag

Die Schriftstücke zeigen auch, wie viel Einfluss das dynamische familiäre Leben auf die Arbeit Freuds hatte. So markierte sein nächtliches Auswandern in die damalige Bibliothek nach der Geburt eines der Kinder den Beginn seiner Traum-Aufzeichnungen, die dann in die Publikation seines 1899 erschienenen Standardwerks "Die Traumdeutung" mündeten.

"Es sind kleine Momente, die wir hier aufgreifen", wie Finzi erklärte. Diese würden allerdings zeigen, wie sehr sich der "engagierte Vater" auch in seiner wissenschaftlichen Arbeit für das Alltägliche interessierte. Das private Leben und die Arbeit – Sigmund und seine jüngste Tochter Anna betrieben in der Berggasse auch ihre Praxen – standen teilweise in sehr engem Kontakt miteinander.

Die Freuds beim Essen

Auch in den Erinnerungen des ältesten Sohnes der Freuds, Martin, zeige sich, dass die eigenen Kinder dem Vater wiederholt als psychoanalytische Untersuchungsobjekte und Ideengeber dienten. Seine Erlebnisse mit dem berühmten Vater verarbeitete Martin bereits 1958 in der Biografie "Sigmund Freud: Man and Father". Die Ausstellung zitiert stellenweise daraus. Die jüngste biografische Annäherung an den Begründer der Psychoanalyse wiederum präsentierte der deutsche Literaturwissenschafter Peter-Andre Alt erst kürzlich in dem Museum.

Besonders freue man sich darüber, dass man auch mit einer Filmaufnahme der Großfamilie aufwarten kann, hieß es seitens des Museums. Ein weiteres Highlight findet sich in einem der sogenannten "Bubenzimmer": Mit einem Spiegelschrank – ein solches Möbelstück wurde damals bezeichnenderweise "Psyche" genannt – konnte das Museum kürzlich ein rares Originalmöbel der Familie mit Unterstützung der Wiener Ärztekammer um rund 4.500 Euro ankaufen, so Pessler. (APA, 30.1.2017)