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Bundeskanzler Christian Kern hat sich zumindest in dem Punkt durchgesetzt, dass es das Arbeitsprogramm der Regierung gibt – versehen mit einem Zeitplan zur Umsetzung und unterzeichnet von allen Ministern. Aber inhaltlich konnte die ÖVP viel mehr ihrer politischen Positionen durchbringen. Der Juniorpartner in der Regierung konnte insbesondere in den Politikbereichen Sicherheit und Integration seine Forderungen fast vollständig ins gemeinsame Papier transferieren, sodass Innenminister Wolfgang Sobotka und Außenminister Sebastian Kurz zu den Nutznießern des Pakts gehören. Denn nun muss der Regierungschef, der Kabinettsmitglieder per Unterschrift zur Umsetzung verpflichtet hat, selbst bei den Genossen für eine massive Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen werben.

Sobotkas Wunschliste ist nun Regierungsprogramm und wird abgearbeitet. So wird die Videoüberwachung ausgedehnt, eine Anlass-Speicherung von Telekommunikationsdaten ist vorgesehen, eine akustische Überwachung im Auto wird möglich, und die Einführung eines elektronischen Kennzeichenerfassungssystems ist geplant. Der Staat sammelt viel mehr Daten und Informationen über alle – Metternich lässt grüßen. Was damit passiert, bleibt aber offen.

Einzig der ÖVP-Wunsch, die Asylobergrenze per Gesetz umzusetzen, wurde in diesem Politikbereich nicht erfüllt. Aber selbst Sebastian Kurz' Wunsch, dass die Vollverschleierung im öffentlichen Raum "untersagt" wird, wurde Rechnung getragen. Bei uniformierten Exekutivbeamten sowie bei Richtern und Staatsanwälten soll darauf geachtet werden, "dass bei Ausübung des Dienstes dieses Neutralitätsgebot gewahrt wird", heißt es in dem Papier. Das lässt wenig Interpretationsspielraum.

Schon die Überschrift "Migration dämpfen" zum entsprechenden Kapitel verrät die Absicht. Dass die Schubhaft auf 18 Monate verlängert wird und Rückkehrzentren als "geschlossene Einrichtungen" mit "Bewegungsbeschränkung" vorgesehen sind, kommt einer drastischen Verschärfung gleich. Das sind in Wahrheit Gefängnisse, wenn sich Menschen nicht mehr frei bewegen können. Hier hat sich die Law-and-Order-Fraktion zur Gänze durchgesetzt.

Dass sich Kern bei der Präsentation des Programms für die Zustimmung zum Vollverschleierungsgebot rechtfertigte, zeigt, er weiß um die Überzeugungsnotwendigkeit in den eigenen Reihen. Aber der SPÖ-Chef will Wähler von der FPÖ zurückgewinnen und ist bereit, diesen Preis zu zahlen.

Auch im Arbeitsmarktbereich hat sich Kern der ÖVP untergeordnet, etwa bei der Lockerung des Kündigungsschutzes für Arbeitnehmer über 50 Jahre. Entgegen den SPÖ-Plänen findet sich keine "Beschäftigungsgarantie" für Langzeitarbeitslose. Am ehesten kann Kern noch die "Beschäftigungsaktion 20.000" für sich reklamieren. SPÖ-Forderungen wie Vermögens- oder Erbschaftssteuer oder eine Wertschöpfungsabgabe sind nicht im Arbeitsprogramm enthalten.

Auffällig sind die Leerstellen Pension und Pflege – Zukunftsthemen, die diese Koalition zumindest in den nächsten 18 Monaten nicht anpacken will. Auch die Finanzierungslücke von 1,2 Milliarden Euro ist erheblich.

Kern will sich bis zu den nächsten Wahlen als Macher profilieren und gegen die FPÖ in den Kampf ziehen – selbst wenn er ein Programm mit ÖVP-Inhalten umsetzen muss. (Alexandra Föderl-Schmid, 30.1.2017)