Josef Köberl taucht sein Thermometer ins Wasser der Neuen Donau. Keine hundert Meter weiter ist der Donauarm zugefroren, am Eis herrscht geschäftiges Treiben. Kinder spielen, Hunde versuchen die Balance zu wahren und Eisläufer ziehen ihre Kreise. "Knapp über drei Grad", sagt Köberl und erklärt, dass durch den Wind die wärmeren unteren Wasserschichten nach oben gespült werden. Er ist Eisschwimmer und nennt die Bedingungen – die Lufttemperatur beträgt minus zwei Grad – "angenehm".

Angenehme minus zwei Grad

Eisschwimmen bedeutet, in einem natürlichen Gewässer bei einer Wassertemperatur von unter fünf Grad Celsius schwimmen zu gehen. In Österreich ist Eisschwimmen noch eine Randerscheinung. Beim wöchentlichen Termin an der Neuen Donau sind diesmal zwei Frauen und vier Männer dabei. Manchmal sei er auch allein, sagt Köberl.

Er ist der Kopf der Austrian Ice Swimming Association, also der Österreichischen Eisschwimmervereinigung, und nimmt immer wieder an Wettkämpfen im In- und Ausland teil. Oder er veranstaltet selbst welche, wie den Ice Cup am kommenden Samstag im Grundlsee. Der 40-jährige – Vollbart, Badeschlapfen an den Füßen, seine kleine Tochter auf den Schultern – mag es gerne extrem, er hat 2015 schwimmend den Ärmelkanal durchquert und 2014 als erster Österreicher die sogenannte Ice Mile (1.618 Meter im eiskalten Grundlsee) geschafft.

Während sich die Schwimmer an der Neuen Donau bis auf die Badekleidung ausziehen, erklärt Köberl, was zu beachten ist: tief in den Bauch atmen, dann langsam ins Wasser steigen. Bei guter körperlicher Konstitution halte das jeder aus. Es sei sogar gesund, weil durch die Kälte braunes Fettgewebe aktiviert wird, wie es auch Robben und Wale haben. Das soll warm und schlank halten. Für Menschen mit Herz-Kreislauf-Problemen ist Eisschwimmen allerdings nichts.

"Beim zweiten Mal geht es schon viel leichter"

Schritt für Schritt steigt die kleine Gruppe die Stufen hinab. Als die Füße das Wasser berühren, hört man kein Stöhnen und Jammern, nur tiefes, schweres Atmen. Claudia, die das erste Mal dabei ist, verliert auf dem rutschigen Boden fast das Gleichgewicht und nimmt gleich mehrere Stufen auf einmal. Sie könne es wohl gar nicht erwarten, scherzt Josef Köberl. Die Schwimmer verteilen sich zwischen Ufer und Pfeiler der Reichsbrücke, manche kraulen zügig, andere schwimmen Brust. Nach ein paar Minuten geht es wieder ans Ufer. Kurz abtrocknen, ins Handtuch wickeln – und noch einmal rein. "Beim zweiten Mal geht es schon viel leichter", sagt Köberl, der für den Ice Cup am nächsten Wochenende trainiert und – wenn er nicht gerade eisschwimmt – im Verteidigungsministerium arbeitet.

Lebenseinstellung in Skandinavien und Russland

International kommen die meisten Eisschwimmer aus Russland und Finnland. "Die halten da sehr viel aus", sagt Köberl, im Norden und Osten sei das eine Lebenseinstellung. Die ersten Weltmeisterschaften wurden 2000 in Jyväskylä, Finnland ausgetragen. Anders als in Österreich wird dort Eisschwimmen in der Regel mit einem Saunabesuch kombiniert. "Die schauen uns dann immer ganz erstaunt an, wenn wir nach dem Schwimmen einfach nur draußen stehen und uns warm zittern", lacht Köberl.

Foto: sarah brugner/derstandard.at

Warmzittern ist auch an der Neuen Donau gefragt. Nach der zweiten Schwimmrunde ist Schluss, man soll es auch nicht übertreiben. Unter den neugierigen Blicken einiger Passanten ziehen sich die Eisschwimmer eilig um. Es sei überhaupt nicht schlimm gewesen, sagt Debütantin Claudia, nur "an den Händen ist es sehr kalt". Sie verstehe jedenfalls, dass man danach süchtig werden kann. Auch Schwimmer Alex genießt das "Hochgefühl" danach, es ist wie nach einem langen Lauf, sagt er. Student Georg, lang und schlacksig, "fürs Eisschwimmen eine eher ungünstige Figur", erzählt, es sei seine größte Sorge, dass er sich wegen der tauben Finger nicht mehr anziehen könne. "Ist aber bis jetzt noch nicht passiert." (Sarah Brugner, Michael Luger, 31.1.2017)