Wien – Wenn Produzenten eines Rosamunde-Pilcher-Films die Idealbesetzung für einen jungen Pianisten suchen würden, sie könnten ihn in der Person und Gestalt von David Fray finden: Seine ebenmäßigen Gesichtszüge werden umrahmt von langem kastanienbraunem Haar, das erst sachte die Ohrmuscheln umspielt, bevor es unterhalb des Nackens sein sanft gelocktes Ende findet. Und so erinnerte der Franzose auch optisch an die Komponisten, deren Werke er im Konzerthaus vortrug: an Frédéric Chopin und an Johannes Brahms – den jungen, bartlosen Brahms, natürlich.

Frays Chopin war wunderbar schlicht interpretiert, behutsam, nach der Devise: nur kein Herumgeschmalze! Mit samtweichem Klang und ideal ausbalancierten Stimmen beleuchtete der Mittdreißiger in dessen Musik mehr den Franzosen als den Polen: Die cis-Moll Mazurka op.63/3 etwa war mit feinem Pinsel gezeichnet und bar aller Schwermut.

Elegantes Spiel: David Fray gastierte im Wiener Konzerthaus
Foto: Paolo Roversi / Warner Classics

Fray verweigerte sich aller Effekthascherei und jeden Auftrumpfens, die Eleganz seines Spiels tendierte nie in Richtung des schillernden Luxus, sondern war eine Eleganz der Schlichtheit, der idealen Beherrschung und zurückhaltenden Präsentation von Form und Stoff eines Werks. Wundervoll schon das erste Stück des Abends, Chopins Es-Dur Nocturne op. 9/2, versonnen, zurückhaltend und von einer emotionalen Genauigkeit und Redlichkeit auch die fis-Moll Nocturne op. 48/2. Wenn Fray so an die Rückenlehne seines Stuhls gelehnt saß und spielte, hatte man den Eindruck, dass da jemand mit heiligem Ernst in Tönen reflektierte.

Nach Schumanns fis-Moll Novelette op. 21/8 – bezaubernd der langsame Teil – widmete sich Fray den Sieben Fantasien op. 116 von Brahms. Auch hier: kein schwergewichtiges Getöse im ersten Capriccio, kein schrilles Schreien im zweiten, stattdessen Momente paradiesischer Sanftheit, wie etwa im zweiten Intermezzo.

Lediglich in der finalen Fantasie, dem d-Moll Capriccio, erlaubte sich der Denker am Klavier ein letztes großes Aufbäumen und Aufschäumen. Zwei leise Zugaben (Sarabande aus der c-Moll Partita von Johann Sebastian Bach und Kind im Einschlummern aus den Kinderszenen von Robert Schumann) beschlossen einen bereichernden, beglückenden, entrückenden Abend. (Stefan Ender, 29.1.2017)