Bei den Razzien gegen Salafisten in Wien und Graz waren 800 Beamte im Einsatz.

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Graz/Wien – Nach der Festnahme von elf Männern und drei Frauen bei Polizeigroßrazzien gegen ein mutmaßliches Salafistennetzwerk in Graz und Wien wurde am Wochenende die Entscheidung über die Verhängung der Untersuchungshaft erwartet. Am Freitag wurden die Verdächtigen – vier in Wien, zehn in Graz – in Justizanstalten untergebracht.

Wie der STANDARD berichtete, wird den Verdächtigen aus Österreich, aus Balkanländern und aus Syrien vorgeworfen, dass sie in Österreich nach dem Vorbild des Terrorregimes IS für einen Gottesstaat eingetreten seien. Gegen alle 14 wird wegen Verdachts der terroristischen Vereinigung (IS) und wegen staatsfeindlicher Verbindung ermittelt. Drei der Festgenommenen sind Prediger.

Razzien-Schwerpunkt in Graz

Hinsichtlich der Frage, wie groß die islamistische Szene in Österreich ist, gibt sich der Verfassungsschutz bedeckt. Laut Grazer Polizei sind in der Landeshauptstadt, dem Schwerpunktort der Razzien mit 800 Beamten, gegenwärtig 16 Moscheevereine registriert, "die Hälfte davon ist radikal", sagt Polizeisprecher Fritz Grundnig.

Ali Kurtgöz, Vorsitzender der islamischen Religionsgemeinde in Graz, kann auch nicht weiterhelfen. Er und seine Gemeinde hätten "überhaupt keinen Kontakt zu diesen Menschen". Manchmal sehe er einen auf der Straße, "aber die grüßen gar nicht", so Ali Kurtgöz zum STANDARD.

"Personen nicht mehr erreichbar"

Die Razzien hinterließen in der Salafistenszene "natürlich ihre Wirkung, weil Personen, die bestimmte Ideen vertreten haben, jetzt nicht mehr erreichbar sind", meint der Diplompädagoge und Islamismusforscher Moussa Al-Hassan Diaw im STANDARD-Interview. Er ist auch Mitglied des Netzwerks Derad, das im Auftrag des Justizministeriums in österreichischen Gefängnissen gegen Extremismus im Einsatz ist. Diaw gibt auch zu bedenken: "Zurück bleiben Anhänger, die vielleicht die Personen zusätzlich als eine Form von Märtyrern wahrnehmen."

Nicht nur eine Szene

Es gebe nicht nur eine Szene der Salafisten in Österreich, sondern "verschiedene Persönlichkeiten, die früher teilweise befreundet waren und dann in ein Konkurrenzverhältnis getreten sind" und sich gegenseitig "das rechte religiöse Verständnis abgesprochen" hätten.

Überwachung durch den Staat sieht er als notwendigen Teil der Maßnahmen gegen Radikalismus, betont aber auch die Wichtigkeit "flankierender Maßnahmen" in der sozialen Arbeit, in Schulen sowie in Sachen Extremismusprävention und Deradikalisierung.

"Weniger politisches Hickhack"

Mitglieder des Vereins Derad versuchen, mit Terrorverdächtigen in Haftanstalten konkret die Weltanschauung, die Ideologie und religiöse Überzeugungen gemeinsam zu reflektieren. Oft werden auch persönliche Anliegen thematisiert. Das stärke die Gesprächsbasis. Diaw sieht Österreich im internationalen Vergleich in Sachen Prävention gegen Radikalisierung gut dastehen. "Weniger Animositäten, weniger politisches Hickhack" fände er bei dem Thema aber wünschenswert.

Welche Werte im islamistischen Gottesstaat hochgehalten werden, zeigen beispielsweise Videos des in Graz zu 20 Jahren Haft (nicht rechtskräftig) verurteilten Hasspredigers Mirsad O. alias Ebu Tejma. Dabei geht es um die Ausübung der Scharia, um "Rechte von Ehemännern" bis hin zum "Umgang mit Sklaven". Die Justiz hat Youtube und andere Betreiber von Videokanälen mehrere Male aufgefordert, die Botschaften vom Netz zu nehmen. Doch die Plattformen mit Sitzen im Ausland weigern sich, weil sie sich inhaltlich nicht verantwortlich sehen. (Walter Müller, Michael Simoner, Gudrun Springer, 27.1.2017)