Michael Tsokos: Sind Tote immer leichenblass. Droemer/Knaur 2016, 15,50 Euro

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Ein Blick, und die Geschichte ist klar: wie Film und Fernsehen eine falsche Wahrnehmung prägen.

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In jedem Krimi eine ähnliche Konstellation: ein Ermordeter, der Detektiv (meist im Doppelpack) und ein Mediziner im Leichenschauhaus, der die Hintergründe am toten Körper aufdeckt. Irgendwann einmal dürfte es Michael Tsokos gereicht haben, weil sein Beruf so gar nichts mit dem zu tun hat, was in Film und Fernsehen vorgegaukelt wird. Tsokos ist Rechtsmediziner und will Wahrheit in die öffentliche Darstellung seines Berufsstandes bringen.

Weil seine tägliche Arbeit und jene der fiktiven Kollegen so gar nichts miteinander zu tun haben, wehrt er sich schriftlich. "Sind Tote immer leichenblass?" ist der Titel seiner eben als Taschenbuch erschienenen Zurechtrückung. Es ist eine Sammlung von 40 Irrtümern, die sich durch Film und Fernsehen ins öffentliche Bewusstsein eingeschlichen haben.

Im Grunde genommen sollten Drehbuchautoren diese kurzweiligen Geschichten lesen. Denn sie sind die Schuldigen, die den Unsinn über einen Berufsstand perpetuieren. Tsokos beginnt deshalb gleich einmal mit einer Berufserklärung: Pathologen sind keine Rechtsmediziner – insofern ist der berühmte Doktor Börne aus dem "Tatort" im Realitätscheck eine reine Erfindung. Rechtsmediziner sind auch keine Eigenbrötler, hören beim Sezieren von Leichen nie Musik und schmieren sich auch kein Menthol unter die Nase, wenn sie Körper aufschneiden. Was Tsokos noch wichtig ist: Auch Szenen, in denen Freunde und Verwandte Tote identifizieren, finden so nicht statt.

Klüger werden

Wer sich für Tod und postmortale Erscheinungen interessiert, kommt nach der anfänglichen Berufsdefinition auf seine Rechnung. Leser erfahren, wie das mit der Todesstarre ist, wie Verwesung vor sich geht und woran sie beurteilt wird. Auch den unterschiedlichen gewaltsamen Todesarten wird breiter Raum eingeräumt, etwa dem Strangulieren. Tsokos ist dabei auch ehrlich: Die Rechtsmedizin hat Grenzen, es gibt viele unaufgeklärte Tode.

Alles wissenswert, vor allem für all diejenigen, die überlegen, nach dem Studium den Berufsweg eines Rechtsmediziners einzuschlagen. Einzige Gefahr bei dieser Lektüre: Es verdirbt einem die Illusion, dass Morde so aufgeklärt werden, wie es uns "Tatort" und CSI seit Jahren vorgaukeln. Leser riskieren also eine Desillusion und die zukünftige Verärgerung bei jedem weiteren Krimiabend. (Karin Pollack, 27.1.2017)