Proteste gegen Donald Trump am vergangenen Wochenende auf dem Trafalgar Square in London. Nicht nur bei der britischen Version des "Women's March" sehen viele von Theresa Mays Wählern den US-Präsidenten kritisch. Die Regierungschefin muss bei ihrem Besuch daher einen Balanceakt schaffen.

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Wenn Theresa May am Freitag als erste hohe Besucherin zu Donald Trump nach Washington kommt, wird sie fast zwangsläufig mit einer Vorgängerin in der Downing Street verglichen werden, mit Margaret Thatcher, der Eisernen Lady. Ob es nun stimmt oder gut erfunden ist, angeblich soll Donald Trump im Beraterkreis bereits von "Meiner Maggie" sprechen, wenn er die britische Premierministerin meint. Jedenfalls haben es seine Presseleute so an die Medien weitergegeben, offenbar, um Differenzen zu übertünchen, die es in der Substanz gibt.

Margaret Thatcher und Ronald Reagan waren Seelenverwandte, Schlüsselfiguren der konservativen "Gegenbewegung" der Achtzigerjahre. Kein Wunder, dass die Tochter eines Kolonialwarenhändlers über den früheren Schauspieler sagte, er sei der zweitwichtigste Mann ihres Lebens. Im politischen Kontext verstand sie sich als strenge Lehrerin, stolz darauf, Reagan das Rückgrat zu stärken, wenn der ihrer Ansicht nach einmal zu wackeln begann. Schon die Vorgeschichte illustriert, dass der Thatcher-Vergleich hinkt, weil May einen solchen Part nicht spielen kann.

Heather Conley, Europa-Expertin am Center for Strategic & International Studies, einem Thinktank in Washington, sieht die britische Regierungschefin eher in einer anderen Rolle. Sie traut ihr zu, Brücken zwischen Trump und den Europäern zu bauen. May könne dem US-Präsidenten nahelegen, dass "Amerika stark ist, wenn auch Europa stark ist". Sie könne erläutern, warum es im amerikanischen Interesse liege, nicht an den Bündnisverpflichtungen der Nato zu rütteln.

Theresa May als Dolmetscherin? Es gibt Kommentatoren, die darin eher Wunschdenken sehen. In Wahrheit, schreibt etwa die Washington Post, stehe der harte Brexit, wie ihn Downing Street Nr. 10 ansteuere, in fundamentalem Widerspruch zum Credo eines global denkenden und handelnden Landes. Ein bilaterales Freihandelsabkommen mit den USA, warnt das Blatt, dürfe nicht zu einem Instrument werden, mit dem man die westliche Allianz entwerte. Trump hat klargestellt, dass ein Handelsdeal mit London für ihn Vorrang hat. Tatsächlich kann der Pakt erst dann geschlossen werden, wenn der Brexit vollzogen ist, frühestens also im Jahr 2019.

Der Widerspruch zwischen großen Worten und magerer Substanz, er vor allem dürfte die Gespräche im Oval Office prägen. Trump geht es um die Symbolik: Während sich Barack Obama in Europa in erster Linie an Angela Merkel hielt, hat der Milliardär die Kanzlerin scharf kritisiert.

"The Special Relationship": Es war Winston Churchill, der den Begriff prägte, um 1941 die Allianz mit Franklin D. Roosevelt zu besiegeln. 2003 war es nicht zuletzt die "Special Relationship", mit der Tony Blair seinen Schulterschluss mit den USA gegen den Irak begründete. Man müsse dicht am Ohr des US-Riesen sein, um ihm Weisheiten zuzuflüstern.

Sie werde "klar und deutlich" auch schwierige Probleme ansprechen, hat May nun vorab beteuert. Innenpolitisch ist die Reise für May nicht ganz ohne Risiko. Eine Phalanx prominenter Parlamentarier, angeführt vom Chef des Finanzausschusses, dem Tory-Abgeordneten Andrew Tyrie, forderte am Donnerstag eine "eindeutige Stellungnahme" gegen Trumps loses Gerede. "Theresa May muss für unsere Werte einstehen", sagte Labour-Oppositionschef Jeremy Corbyn. Eine Wiedereinführung der Folter werde "die Geheimdienstzusammenarbeit massiv beschädigen", drohte Angus Robertson, Vizeparteichef der schottischen Nationalpartei SNP. (Frank Herrmann aus Washington, Sebastian Borger aus London, 27.1.2017)