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Die Regierung von Paolo Gentiloni (m.) steht unter Druck.

Foto: REUTERS/Alessandro Bianchi

Rom – Das Urteil des italienischen Verfassungsgerichts zum Wahlgesetz hat in Italien die Debatte über vorgezogene Parlamentswahlen angefacht. Die Verfassungsrichter lehnten zwar Teile des umstrittenen Wahlgesetzes "Italicum" ab. Abgesehen von diesen Aspekten sei jedoch das Wahlgesetz sofort anwendbar und nicht verfassungswidrig.

Die Italiener könnten noch in diesem Jahr ein neues Parlament wählen. Die Oppositionsparteien drängen zu vorgezogenen Parlamentswahlen im Frühjahr.

Während die Richter einen großen Mehrheitsbonus für die stärkste Partei absegneten, wurde eine Stichwahl zwischen den beiden stärksten Kräften für unzulässig erklärt. Das Verfassungsgericht strich auch eine Regelung, nach der die Erstplatzierten auf den Listen in mehreren Wahlkreisen antreten und sich nach der Wahl einen Wahlkreis aussuchen können. Abgesehen von diesen Aspekten könne das Wahlgesetz "Italicum" jedoch umgehend angewandt werden, urteilten die Verfassungsrichter.

"Italicum"

Das Urteil der Verfassungsrichter löste nicht das zentrale Problem auf dem Weg zu Neuwahlen: In Italien gibt es derzeit zwei unterschiedliche Regelungen für die Wahl des Senats und des Abgeordnetenhauses. Gäbe es allerdings sofort Neuwahlen, würden die Italiener das Abgeordnetenhaus und den Senat mit zwei unterschiedlichen Wahlsystemen wählen, da das "Italicum"-Mehrheitswahlrecht nur für die Abgeordnetenkammer geschaffen wurde. Laut einer von den Italienern abgelehnten Verfassungsreform des im Dezember zurückgetretenen Premiers Matteo Renzi hätte ein verkleinerter Senat gar nicht mehr direkt gewählt werden müssen. Da Renzis Reform aber abgelehnt wurde und der Senat in der jetzigen Form erhalten bleibt, müssen die neuen Senatoren also wie im Jahr 2013 mit Verhältniswahlrecht gewählt werden.

Präsident Sergio Mattarella hatte nach Renzis Rücktritt die Forderungen nach vorgezogenen Neuwahlen zurückgewiesen. Er lehnte es ab, das Parlament aufzulösen, solange für beide Parlamentskammern unterschiedliche Wahlrechte gelten, weil damit eine stabile Regierungsmehrheit in beiden Kammern nicht mit Gewissheit gewährleistet sei. Renzis Nachfolger Paolo Gentiloni will die Parteien dazu drängen, ein neues, für beide Parlamentskammern einheitliches Wahlgesetz über die Bühne zu bringen. Er hat es damit jedoch nicht eilig. Der Premier hofft, die Legislaturperiode wie regulär geplant im Frühling 2018 zu Ende zu bringen.

Opposition will neu wählen

Die meisten Oppositionsparteien sind für baldige Neuwahlen. Vor allem die antieuropäische Fünf-Sterne-Bewegung, die laut Umfragen derzeit als stärkste Einzelpartei aus vorgezogenen Parlamentswahlen hervorgehen könnte, drängt zum Urnengang. "Das Verfassungsgericht hat den Mehrheitsbonus für jene Partei belassen, die 40 Prozent der Stimmen erhält. Unser Ziel ist es, diese Marke zu knacken, um Italien zu regieren. Wir werden ohne Allianzen am Urnengang teilnehmen", kommentierte der Fünf-Sterne-Gründer Beppe Grillo auf seinem Blog.

"Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts gibt es keine Entschuldigungen mehr. Es muss sofort zu Neuwahlen kommen", sagte auch die Chefin der Rechtspartei Brüder Italiens, Giorgia Meloni. Lega-Nord-Chef Matteo Salvini meinte, Italien könnte bereits am 23. April wählen. Die Entscheidung der Verfassungsrichter schaffe die Bedingungen dafür, unverzüglich zu wählen, sagte auch der Fraktionsvorsitzende der sozialdemokratischen PD im Abgeordnetenhaus, Ettore Rosato. (APA, 26.1.2017)