Seismik-Messgeräte der Münchner Stadtwerke im Einsatz: Ziel ist es, ein Abbild des Untergrunds anzufertigen.

Foto: SWM Stadtwerke München

Wien – Klobige Fahrzeuge zwängen sich langsam durch die Straßen. Alle 50 Meter halten sie und senken eine voluminöse Vibrationsplatte auf den Boden hinab. Sie senden Schwingungen ins darunterliegende Erdreich. Schwingungen, die von Gesteinsschichten reflektiert und von hochsensiblen Mikrophonen, die im Umkreis am Boden ausgelegt wurden, wieder aufgefangen werden. Das Ziel ist, ein Abbild des Untergrunds anzufertigen.

Solche Szenen werden sich im Februar und März auch im Osten Wiens, auf zwei Straßenzügen im 22. Gemeindebezirk bis hinaus nach Raasdorf und Wittau in Niederösterreich abspielen. Im Rahmen des von der Wien Energie koordinierten Forschungsprojekts "GeoTief" arbeiten zehn Forschungseinrichtungen und Unternehmen zusammen, um den Untergrund auf tiefliegendes Heißwasservorkommen zu untersuchen, die man als klimaschonenden Energielieferanten nutzen könnte. Den querschnittsartigen 2D-Messungen auf zwei Strecken sollen im nächsten Winter großflächigere 3D-Messungen folgen, die ein detailliertes Bild der Gesteinsschichten in mehreren tausend Metern Tiefe geben sollen.

Messungen des Energiekonzerns OMV würden auf eine gute Ausgangssituation für die Geothermie im Osten Wiens hindeuten, erklärt Karl Gruber, technischer Geschäftsführer der Wien Energie. In unterirdischen Alpenausläufern in Tiefen von mehr als zweieinhalbtausend Metern sollen poröse, wasserhaltige Gesteinsschichten vorhanden sein. "Das Projekt ähnelt einer Ultraschalluntersuchung. Die Frage ist: Sind wir schwanger? Und wie groß ist das Baby?", versinnbildlicht Gruber. Die Wien Energie steckt bis 2020 fünf Mio. Euro in das Projekt, weitere Mittel kommen per Klimafonds vom Bund.

Vorbild für eine mögliche Nutzung der Geothermie in Wien ist München. In den Stadtteilen Riem und Freiham sind bereits zwei Anlagen in Betrieb, weitere entstehen gerade. Die Münchner haben sich die Aufgabe gestellt, bis 2040 den Gesamtwärmebedarf aus erneuerbaren Quellen zu decken. "Hier spielt die Geothermie eine sehr große Rolle. 40, 50 Prozent, denken wir, werden wir direkt im Stadtgebiet generieren können", sagt Geologe Christian Hecht, der den Bereich bei den Stadtwerken München leitet und auch im Beirat des Wiener Projekts sitzt.

Lautlos und abgasfrei

Für ihn sind die lautlosen, abgasfreien Anlagen, die Heißwasser per Wärmetauscher verwerten und wieder in die Tiefe zurückschicken, durchaus "innenstadtfähig". Das Fernwärmenetz, das heute noch aus Kohle- und Gaskraftwerken gespeist wird, soll in einem aufwändigen Umbauprozess an die Geothermie angepasst werden. In der Gemeinde Sauerlach südlich von München wird in einer weiteren Anlage die Wärme aus der Tiefe auch in elektrischen Strom verwandelt – mit entsprechend geringerem Wirkungsgrad.

Das Risiko von Erdbeben, die man durch Tiefenbohrungen auslösen könnte, sei laut Hecht im Raum München unbedeutend. In Basel in der Schweiz kam es 2006 und 2007 beim Einpressen von Wasser zu spürbaren Erdstößen und einem Abbruch des Projekts.

"Das Gute am bayrischen Molassebecken ist, dass es so gut wie keine seismische Aktivität gibt. Es gab vereinzelt Ereignisse, die unbedeutend sind", so Hecht. Auch Landabsenkung könne allein schon durch die Tiefe, in der operiert wird, keine eintreten. Auch Gruber beruhigt: Das Wasservolumen in der Tiefe bleibe durch das Zurückpumpen konstant. Im Moment sei man in Wien zudem nur in einer Forschungsphase, in der es keine Pumpbohrungen gebe.

Von den Messungen, die nun anlaufen, würden Anwohner lediglich Betriebsgeräusche mitbekommen, erklären die Experten. Die Messvibrationen der Fahrzeuge seien im engeren Umkreis zu spüren und mit jenen einer vorbeifahrenden Straßenbahn zu vergleichen. Aufgrund von Umweltschutzauflagen würden die Messungen nur im Winter durchgeführt. Eine entsprechende Öffentlichkeitsarbeit soll die Aktivitäten begleiten. (Alois Pumhösel, 26.1.2017)