Seit Mai 2016 erhält die SPÖ einen "Kern-Bonus".

Grafik: DER STANDARD

Wer wählen lassen will, sollte eine Vorstellung davon haben, was ihn bei einer Neuwahl erwartet. Das wäre laut mehreren Umfragen im Fall der Kanzlerpartei SPÖ ein deutlicher Platz zwei hinter der FPÖ. Zuletzt errechneten die Marktforschungsinstitute Unique und OGM bei der Sonntagsfrage unabhängig voneinander 33 Prozent für die Freiheitlichen, 27 Prozent für die SPÖ und 20 Prozent für die ÖVP. Seit eineinhalb Jahren liegen die Blauen in allen wesentlichen Umfragen konstant auf dem ersten Platz (siehe Grafik).

Seit die FPÖ den beiden Regierungsparteien im Sommer 2015 – zu Beginn der Flüchtlingskrise – davonzog, lagen SPÖ und ÖVP in etwa gleichauf. Und seit Mai 2016, seit Christian Kern an der Spitze von Sozialdemokratie und Bundesregierung steht, erhält seine Partei einen Umfragebonus – allerdings eher auf Kosten der ÖVP als der FPÖ.

Auch wenn die Stockerlplätze in den Umfragen klar verteilt sind, wären Neuwahlen zum jetzigen Zeitpunkt für die Regierungsparteien "ein Hochrisikospiel", sagt Politikberater Thomas Hofer. Denn "was Umfragen nie abbilden können, ist die Dynamik eines Wahlkampfs". Da wäre schon als Erstes die Frage relevant, wer nun in der Regierung die Notbremse zieht und die Koalition auflöst – üblicherweise bringt das einen Malus in der Wählergunst. Unter anderem deshalb sei "nicht ausgemacht, wer diese Wahl gewinnt", sagt Hofer.

Kern vs. Kurz vs. Strache

Die FPÖ – sie hat angesichts des eskalierenden Koalitionsknatschs am Dienstag Neuwahlen gefordert – hat ebenso keinen Grund, sich eines Wahlsiegs sicher zu sein. "Wenn es zu einem Persönlichkeitsrennen Kern gegen Kurz gegen Strache kommt, hat die FPÖ ein Problem", sagt Hofer. Fragt man Wahlberechtigte nach ihrem Wunschkanzler, schneidet Kern deutlich besser ab als FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Nicht zuletzt das gute Ergebnis seines Vizes Norbert Hofer bei der Präsidentschaftswahl zeigte deutlich, dass Strache in Sachen Wählersympathie eher keinen Trumpf für die Partei darstellt.

Zu den "Unwägbarkeiten" eines Wahlkampfs, die Politexperte Hofer die Zuverlässigkeit der jüngsten Umfragen als Wahlprognosen anzweifeln lassen, zählt außerdem ein möglicher "Kurz-Effekt": Dass der ÖVP-Außenminister irgendwann einmal den Vorsitz in der Partei übernehmen wird, gilt als fix – dass er das noch vor dem nächsten Nationalratswahlkampf tun wird, als wahrscheinlich.

Einen deutlichen "Kurz-Effekt" errechnete das M&R-Institut im Auftrag der "Niederösterreichischen Nachrichten" zumindest in Niederösterreich: Dort gaben Anfang Jänner 22 Prozent der Befragten an, der ÖVP ihre Stimme zu geben – unter einem VP-Chef Kurz würden das 41 Prozent tun. (sefe, 25.1.2017)