Eine Erkrankung ist selten, wenn weniger als fünf Menschen von 10.000 an ihr leiden. Die Medizin kennt bereits über 7.000 seltene Erkrankungen, immer wieder werden neue entdeckt. Die Arbeitsgruppe des Dr. von Haunerschen Kinderspitals in München hat nun bei Kindern aus dem Nahen Osten und aus Südamerika Mutationen in einem Gen namens CARMIL2 identifiziert.

Unser Immunsystem hat neben der Abwehr von Infektionserregern auch eine wichtige Funktion bei der Verhinderung einer Tumorentstehung. Bei immungeschwächten Patienten können diese Überwachungsfunktionen versagen: neben einer Neigung zu Infekten kann das Risiko der Tumorentstehung steigen. Um hier therapeutisch eingreifen zu können, ist es von entscheidender Bedeutung, die beteiligten Signalwege zu verstehen.

Die betroffenen Patienten fielen auf, da sie an vielen Stellen im Körper Tumore der glatten Muskelzellen entwickelten, die mit Epstein-Barr-Viren (EBV) assoziiert waren. Wichtige Immunzellen der Patienten – die T-Lymphozyten – weisen eine Störung in einem Signalweg auf, welcher durch Aktivierung des Oberflächenmoleküls CD28 initiiert wird. Dies führt dazu, dass die T-Zellen der Patienten nicht adäquat ausreifen und in ihrer Funktion gestört sind.

Störung der Polarität

Das betroffene Gen spielt zudem eine wichtige Rolle in einer weiteren Aufgabe der Immunzellen: es wird für die Beweglichkeit und zielgerichtete Wanderung benötigt. Entsprechend weisen die Lymphozyten der Patienten eine Störung der Polarität und des Migrationsverhalten auf.

Der CD28-Signalweg ist eine therapeutische Zielstruktur: im Rahmen der sogenannten Immun-Checkpoint-Blockade hemmen neue Medikamente hemmende Einflüsse und steigern so die anti-tumorale Immunität. In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass eine effektive T-Zellantwort wichtig ist, um die Entstehung von seltenen EBV-assoziierten Tumoren zu unterdrücken.

Diese neuen Erkenntnisse sind nicht nur für eine klare molekulare Diagnose der betroffenen Patienten wichtig, sie offenbaren auch neue Signalwege der anti-tumoralen Immunität, zeigen wie das Immunsystem die Entstehung von Tumoren unterdrückt und eröffnen die Entwicklung neuer therapeutischer Konzepte. (red, idw, 25.1.2017)