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Wenn Schmerztherapie und Medikamente nicht mehr wirken, ist die Spinal Cord Stimulation (SCS) eine Option.

Foto: APA/EPA/FREDRIK VON ERICHSEN

Sind Schmerzen so stark, dass herkömmliche medikamentöse und nicht-medikamentöse Therapien nicht helfen, gibt es für Betroffene noch eine dritte Option: invasive Therapieverfahren. Zum Beispiel die Rückenmarkstimulation oder Spinal Cord Stimulation (SCS): Dabei werden den Patienten dünne Elektroden in den Rückenmarkskanal gelegt und mit einem unter die Haut implantierten Minigenerator verbunden. In Betrieb genommen, sendet das scheckkartengroße Gerät elektrische Impulse an die sensiblen Nerven im Inneren der Wirbelsäule.

"Bewährt hat sich die SCS unter anderem bei chronischen neuropathischen Rückenschmerzen, ausstrahlenden Schmerzen nach Bandscheibenoperationen, Unfällen mit Nervenschäden an Armen oder Beinen oder gegen die berüchtigten Phantomschmerzen nach Amputationen", berichtet Wilhelm Eisner, Neurochirurg an der Universitätsklinik Innsbruck und Vorstandsmitglied der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖSG). "Auch Patienten mit Durchblutungsstörungen, Angina Pectoris oder Diabetiker mit Polyneuropathien von der Behandlungsmethode können profitieren."

Die schwachen Stromimpulse stimulieren den hinteren Abschnitt des Rückenmarks, von wo aus die veränderten Schmerzsignale an das Gehirn übertragen werden. Für die Patienten ist das als leichtes "Kribbeln" wahrnehmbar, das – je nach Elektrodenlage – in die Arme oder Beine ausstrahlt und den quälenden Schmerz "überdeckt".

Neue Hoffnung

Eingesetzt wird die Methode in ihrer traditionellen Form bereits seit 30 Jahren. "Bei fast 60 Prozent der Patienten ist damit eine Schmerzlinderung erreichbar. Es wäre zu wünschen, dass möglichst viele Patienten, die davon profitieren können, an ein spezialisiertes Zentrum weiterverwiesen werden", so Eisner. "Inzwischen gibt es verschiedene neue Ansätze und Varianten, die auch für die bisher nicht darauf ansprechenden Patienten Hoffnung bieten und die Methode noch sicherer machen."

Und auch der Trend zur personalisierten Medizin ist bei der Rückenmarksstimulation angekommen: "Die neuen Ansätze erlauben es, Amplitude, Polung, Impulsweite und vor allen die Frequenz individuell an die spezifischen Bedürfnisse einzelner Patienten anzupassen", erklärt Eisner. Bei der sogenannten Adaptive Stim-Technologie passiert das sogar automatisch und abhängig von der Lage des Patienten. Eigene Bewegungssensoren erfassen die Körperposition und melden jede Veränderung an das Gerät, das daraufhin automatisch die Impulsstärke anpasst.

Zusätzlich zur adaptiven Stimulation kann auch eine High-Density-Stimulation (HD) durchgeführt werden. Dabei können Frequenz und Impulsweite adaptiert werden, um für die Patienten eine optimale Schmerzlinderung zu erreichen.

MRT-Scan mit Implantat

Eine SCS-Neuentwicklung beseitigt auch ein anderes Problem: Weil MRT-Geräte starke Magnetfelder und Radiofrequenzimpulse erzeugen, konnten Patienten mit implantiertem SCS-System in der Vergangenheit keine Ganzkörper-MRT-Scans machen. Die spielen aber gerade in der Schmerzmedizin zur Diagnosestellung eine wichtige Rolle. Mit dem "SureScan MRI"-System zur Rückenmarkstimulation ist jetzt ein Gerät verfügbar, das mit einem Betriebsmodus für MRT-Untersuchungen ausgestattet ist. "Damit", so Eisner, "können sich auch SCS-Patienten unter bestimmten Bedingungen sicher einem Ganzkörper-MRT-Scan unterziehen."

Kürzlich wurde die 24-Monatsauswertung einer Studie zu SCS im Fachjournal Neurosurgery publiziert. Die Teilnehmer litten zwischen zwei und 25 Jahren an starken Rücken- oder Beinschmerzen. Die meisten davon rührten von früheren Wirbelsäulenoperationen her und hatten eine starke Behinderung oder gar Invalidität zur Folge. Alle Betroffenen sprachen seit mehr als drei Monaten auf keine konservative Therapie an.

"Es hat sich herausgestellt, dass mehr Patienten auf die Hochfrequenz-Stimulation ansprachen und sowohl die Schmerzlinderung als auch das funktionale Outcome der Patienten besser waren", so Eisner. Zwei Jahr nach Behandlungsbeginn sprachen 76,5 Prozent der Rückenschmerz-Geplanten auf das HF10-SCS-Implantat an, auf die herkömmliche SCS 49,3 Prozent. Ähnlich hoch der Unterschied bei den Beinschmerzen: Während die hochfrequente Stimulation 72,9 Prozent der Patienten Linderung verschaffte, gelang das mit der herkömmliche Methode in 49,3 Prozent der Fälle.

Intensität ging zurück

Auch bei der Schmerzintensität schnitt die Hochfrequenz-Stimulation besser ab. Initial hatten die Probanden mit Rückenschmerzen ihr Leiden durchschnittlich mit einem Wert von 7,6 und jene mit Beinschmerzen mit 7,3 auf einer zehnteiligen Skala eingeschätzt. 24 Monate nach Behandlungsbeginn lagen die Werte bei den Hochfrequent-Behandelten bei jeweils 2,4, während sie in der Vergleichsgruppe im Durchschnitt mit 4,5 beziehungsweise 3,9 ermittelt wurden.

Weil sich die Nebenwirkungen bei beiden Verfahren gleichermaßen in engen Grenzen hielten, wecken die Ergebnisse unter Schmerztherapeuten große Hoffnungen. "Chronische Schmerzen sind ein signifikantes Problem, häufiger als Diabetes, Herzerkrankungen oder Krebs", so Eisner. "Aufgrund des Nachweises einer signifikanten und dauerhaften Schmerzreduktion bei Rücken- und Beinschmerzen, stellt die HF10-Therapie eine wichtige und evidenzbasierte zusätzliche Option dar". (red, 25.1.2017)