Ende 1997 machten Viktor Klima (links) und Wolfgang Schüssel noch gute Miene, später dominierte dann das böse Spiel.

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Noch sei es zu früh, den Stecker zu ziehen, meint Josef Kalina.

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ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner würde "gänzlich irrationale handeln, wenn er auf Konfrontation geht", findet Kalina.

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Wien – Josef Kalina war Ende der 90er-Jahre Sprecher von Bundeskanzler Viktor Klima, 2007 und 2008 war er dann SPÖ-Bundesgeschäftsführer unter Kanzler Alfred Gusenbauer. Der 59-Jährige hat also schon die eine oder andere Krise zwischen SPÖ und ÖVP miterlebt. Im Gespräch mit dem STANDARD erklärt er, wie er den aktuellen Streit der Regierungsparteien einschätzt und welche historischen Parallelen er sieht.

STANDARD: Sie waren 2007/08 SPÖ-Bundesgeschäftsführer, als der Koalitionskarren ähnlich verfahren war wie heute. Geendet hat das mit dem Satz "Es reicht" von ÖVP-Chef Wilhelm Molterer. Sehen Sie Parallelen zu damals?

Kalina: Eigentlich fühle ich mich mehr an 1997 erinnert. Damals hat Franz Vranitzky von sich aus die Kanzlerschaft zurückgelegt und an Viktor Klima übergeben. Zunächst war die Situation verfahren, nichts ging weiter. Dann hat Klima ein Programm vorgelegt und auch Schwung in die Koalition gebracht, was seinen Beliebtheitswerten und auch jenen der SPÖ genutzt hat. Als Vizekanzler Wolfgang Schüssel das gesehen hat, ist er aber mit beiden Beinen auf die Bremse gestiegen. Dann ging nichts mehr, weil die ÖVP befürchtet hat, dass der neue Schwung nur dem neuen Kanzler zugeschrieben wird.

STANDARD: Und jetzt sehen Sie ähnliche Befürchtungen auf ÖVP-Seite?

Kalina: Ja, ein Teil der ÖVP hat offenbar die Sorge, dass es nur Kern zugutekommen würde, wenn man auf SPÖ-Vorschläge einsteigt. Selbst wenn es um Dinge geht, die für die ÖVP naheliegend wären – wie die Arbeitszeitflexibilisierung, Bürokratieabbau oder die Reduzierung von Selbstbehalten für Selbstständige.

STANDARD: Man hat aber schon auch den Eindruck, dass es Kern wissen will, weil er viel bessere Werte als Mitterlehner hat. Kann es sich der Kanzler leisten, lange zu warten?

Kalina: Klar ist: Kern ist mit Kritik an der bisherigen Koalition angetreten. Er hat ein fundiertes Programm vorgelegt. Seine Zukunft hängt daher natürlich daran, dass etwas davon umgesetzt wird. Die Strategie eines Teils der ÖVP, ich sage nicht jene von Mitterlehner, scheint aber zu sein: Wir wollen Mitterlehner mit Kern fighten lassen, weil der ÖVP-Chef ohnehin ein Ablaufdatum hat. Eine Vollblockade würde beiden schaden. Dann könnte später der neue, unverbrauchte Sebastian Kurz die ÖVP übernehmen und in Neuwahlen gehen, weil dieser viel bessere Beliebtheitswerte hat. Aber auch das halte ich für ein Vabanquespiel.

STANDARD: Hoffen die SPÖ-Strategen vielleicht auch darauf, dass sich Sebastian Kurz eine Spitzenkandidatur zum jetzigen Zeitpunkt gar nicht antun würde?

Karlina: Mit solchen Hoffnungen wäre ich vorsichtig. Wenn ich mich daran erinnere, wie das bei uns im Jahr 2008 war: Die SPÖ war damals in einer wirklich schwierigen Lage, weil die Werte von Kanzler Gusenbauer ganz schlecht waren. Genau darauf hat die ÖVP spekuliert, als sie Neuwahlen ausrief. Wir waren dann aber extrem schnell. Die SPÖ hat innerhalb von wenigen Tagen den Parteichef ausgetauscht, und Werner Faymann hat übernommen. Wie sich also zeigt, kann so etwas also sehr schnell nach hinten losgehen.

STANDARD: Im Falle Molterers hat das gestimmt. Er wurde bei der Wahl abgestraft. Die Frage ist, ob es immer so sein muss, dass derjenige verliert, der den Stecker zieht?

Kalina: Jetzt wäre es für Kern zu früh, den Stecker zu ziehen. Er weiß, dass die Erwartungshaltung der Bevölkerung an die Regierung ist: Machts was miteinander. Ich bin auch überzeugt, dass es beiden nutzen würde, wenn sie etwas zusammenbringen und ein paar positive Punkte in ihrer Bilanz verbuchen können. Mitterlehner würde auch gänzlich irrational handeln, wenn er auf Konfrontation geht. Sollte die ÖVP aber alle inhaltlichen Punkte blockieren, kann Kern nicht zuschauen. Was soll er denn machen?

STANDARD: Die Frage ist immer, welche Alternativen ergeben sich nach einer Wahl. Halten Sie es für wahrscheinlich, dass es Kern vielleicht sogar auf eine Minderheitsregierung anlegen würde?

Kalina: Thema waren Minderheitsregierungen schon öfters, aber sie waren nie gut vorbereitet. So war das auch 2008. Da war Bundespräsident Heinz Fischer klar dagegen – leider, muss ich sagen. Auch 2000 wäre das eine Alternative gewesen, aber da hatte Schüssel schon Schwarz-Blau in der Tasche. Also: Möglich ist es, ich kann es mir nur schwer vorstellen. Eine Minderheitsregierung braucht die Duldung der Opposition für eine gewisse Zeit. Ohne die Freiheitlichen wird das nicht gehen. Ich habe bei denen meine Zweifel.

STANDARD: Dann wird es schwierig. Mit der ÖVP will man nicht mehr regieren, Rot-Grün-Neos hat laut Umfragen keine Mehrheit. Bliebe noch Rot-Blau oder sogar Blau-Rot. Wäre das SPÖ-intern machbar? Würde Kern das durchbringen?

Kalina: Das sieht im Moment nicht so aus. Noch gilt der Parteitagsbeschluss, dass es keine Koalition mit der FPÖ geben darf. Kern bräuchte also vorher einen Parteitag oder eine Abstimmung unter den Mitgliedern. Das ist denkbar, halte ich aber auch für schwierig. (Günther Oswald, 25.1.2017)