Wien wuchs im Vorjahr nicht mehr so rasant.

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Wien – Drei Überschriften mit den wichtigsten Aussagen könne er anbieten, sagte Klemens Himpele, Abteilungsleiter des städtischen Statistikamtes MA 23, bei einem Hintergrundgespräch über die Bevölkerungsentwicklung Wiens im Vorjahr. "Deutlich verlangsamtes Wachstum gegenüber 2015", "So viele Geburten wie noch nie seit 1945" und "Wien überholt Bukarest als sechstgrößte Stadt der EU". Tatsächlich stand als Überschrift auf der Titelseite der Präsentation am Montag eine Anspielung auf eine "Wiener Zeitung"-Schlagzeile von vergangenem November, nicht ganz frei von Pathos: "Auf dem Weg zu alter Größe".

Um etwa 27.700 Einwohner stieg die Bevölkerungszahl Wiens im Vorjahr auf einen neuen Ist-Stand von 1,87 Millionen. Das ist mehr als ein Drittel weniger als der 42.900 Kopf starke Anstieg im Jahr der Asylspitze 2015 und liegt auch unter dem positiven Saldo von 30.600 Personen im Jahr 2014, als bulgarische und rumänische Staatsbürger im Rahmen der Arbeitnehmerfreizügigkeit Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt erhielten.

2016 sanken die Wanderungssaldos bei Staatsbürgern nahezu aller zahlenmäßig relevanten Nationen: 4.716 Syrer (8.036 im Jahr 2015), 1.899 Rumänen (2.079), 1.841 Serben/Montenegriner (2.198) und 1.754 Ungarn (2.243) bildeten nach den vorläufigen Zahlen die vier größten Gruppen.

Afghanische Staatsbürger, 2015 mit 4.851 noch auf Platz zwei, fielen mit einer Wanderungsdifferenz von 1.735 Personen auf Platz fünf zurück; deutsche Staatsbürger landeten mit einem Plus von 1.670 Personen neuerlich auf Platz sechs (2.211). Der Saldo der Türkei, ehedem ein gewichtiger Zuwanderungsfaktor, war dagegen mit 231 Personen "überschaubar", wie es Himpele ausdrückte.

63,99 Prozent der Wiener Wohnbevölkerung mit Stand 1. Jänner 2017 wurden in Österreich geboren (minus 0,79 Prozentpunkte gegenüber 2016). Auf Platz zwei stehen in dieser Liste die Serben mit 5,78 Prozent (minus 0,02 Prozentpunkte), auf Platz drei die Türken mit 3,64 Prozent (minus 0,06 Prozentpunkte), auf Platz vier die Deutschen mit 2,68 Prozent (plus 0,03 Prozentpunkte). Der Anteil der EU-Bürger stieg auf 13,32 Prozent (plus 0,2 Prozentpunkte), jener aus Drittstaaten auf 22,12 Prozent (plus 0,67 Prozentpunkte).

Die zusammengefasste Fruchtbarkeitsrate blieb auch im Jahr 2016 im niedrigen langjährigen Mittel von 1,42 Kindern pro Frau; weil aber die Zahl der Frauen im fortpflanzungsfähigen Alter über die Jahre kontinuierlich stieg, dürfte im Vorjahr der Rekord des "fruchtbarsten Wiener Nachkriegsjahrgangs" gebrochen worden sein. Auf die bereinigten Daten müsse man noch einige Monate warten, laut Himpele sollen es aber mehr als die 20.507 Kinder des Babyboom-Rekordjahrs 1967 sein. Eine Auswertung der Geburten nach Staatsbürgerschaft werde ebenfalls erst mit den endgültigen Zahlen möglich sein. Abzüglich der Sterbefälle gehen die städtischen Demografen vorläufig von einem Geburtenüberschuss von rund 3.400 Personen aus.

Grafik: MA 23

Die 1,87 Millionen Einwohner zu Jahresbeginn bedeuten sehr wahrscheinlich auch einen Sprung in der Liste der größten Städte der EU. In Bukarest, der bisherigen Nummer sechs, leben vermutlich 1,85 Millionen Menschen – in Rumänien werden die Daten aber nicht so genau und regelmäßig erhoben wie in Österreich, gab Himpele zu bedenken. Damit lägen nur noch London, Berlin, Madrid, Rom und Paris vor Wien. Der nächste Sprung werde wohl mit dem Brexit von administrativer Natur sein.

"Mehr Optimismus" gefordert

Wachstum sei für eine Stadt grundsätzlich weder positiv noch negativ zu beurteilen, sagte Himpele. Im Falle Wiens bleibe vor allem die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit eine Herausforderung. Allerdings fiel der Anstieg mit 0,2 Prozentpunkten 2016 so niedrig aus wie seit sechs Jahren nicht. Zudem habe es wenig Sinn, Wien als Arbeitsmarkt abzugrenzen, da die 27,7 Prozent vor allem aus Niederösterreich und dem Burgenland stammenden Einpendler das Bild verzerren. Mit 567 Arbeitsplätzen je 1.000 Einwohner verfüge die Bundeshauptstadt faktisch über die höchste Arbeitsplatzdichte aller Bundesländer.

Investitionen täten dennoch not, so Himpele, um die Zufriedenheit der Wiener mit ihrer Stadt – laut Urban Audit der Eurostat beträgt sie 96 Prozent – auf hohem Niveau zu halten. Die Bundesregierung und die EU seien hier gefordert. "Wien ist gut gerüstet für die Zukunft", sagte Himpele, als der Beamer die letzte Folie der Präsentation an die Wand projizierte. "Mehr Optimismus", stand da. (Michael Matzenberger, 23.1.2017)