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Der einflussreiche Schlagzeuger Jaki Liebezeit starb mit 78 Jahren.

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Wien – Lange bevor die deutsche Band Kraftwerk das Modell der "Mensch-Maschine" formulierte und idealisierte, hatte es Jaki Liebezeit bereits vorgelebt. Auf seine Art. Liebezeit saß bei der deutschen Gruppe Can am Schlagzeug und rang der Monotonie bis dahin nicht gehörte Reize ab. Mit der Präzision eines Metronoms und einer Ausdauer, die ihn über Songs brachte, die bis zu 20 Minuten dauern konnten (Halleluwah, Yoo Doo Right ...), schöpfte er aus sturer Repetition eine subtile Funkiness, einen hypnotischen Sog. Niemand vor ihm hatte je so Schlagzeug gespielt.

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Jaki Liebezeit wurde deshalb von vielen Kollegen und Musikern zu den besten Drummern seiner Zeit gezählt. Nun ist er an den Folgen einer Lungenentzündung gestorben. Er wurde 78 Jahre alt.

Liebezeit wurde am 26. Mai 1938 in Dresden geboren. In den 1960er-Jahren spielte er Jazz, bevor er 1968 als Gründungsmitglied bei der sich in Köln formierenden Band Can einstieg. Für Can lernte er um und trainierte sich den Jazz weitgehend ab. Denn ein Ansatz der einflussreichen Krautrock-Band war es, sich vom Rock 'n' Roll zu emanzipieren. Nicht aus Schnöseligkeit, sondern aus der Einsicht heraus, mit der Kultur des Blues nicht genug verbunden zu sein. Daraus sollte etwas Neues entstehen, und dafür war das Spiel Liebezeits wesentlich verantwortlich.

Die Legende besagt, ein Hippie auf LSD-Trip soll ihm empfohlen haben, sich der Monotonie zu verschreiben. Das tat er. Monotonie mit kleinsten menschlichen Unschärfen wurde zum rhythmischen Skelett, zum Erkennungszeichen von Can. Bis heute werden Liebezeits Rhythmen kopiert (und nie erreicht), gesamplet oder nachgebaut.

Liebezeit war ein höflicher, milde wirkender Mann. In Interviews gab er sich bescheiden und schrieb einen großen Teil der innovativen Qualität seines Spiels dem Umstand zu, dass Can ein eigenes Studio besaßen. Dort, in dem legendär gewordenen, "Inner Space" genannten Raum, konnten sie frei von zeitlichem oder ökonomischem Druck ihre Musik entwickeln.

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Neben seiner Arbeit für Can trommelte Liebezeit für seinen britischen Bewunderer Brian Eno, für Michael Rother (von Neu!), spielte mit Jah Wobble, Depeche Mode und vielen anderen. Zu den Fans seiner Kunst zählten Johnny Rotten alias John Lydon oder Robert "Gotobed" Grey von der Band Wire.

Liebzeit spielte immer wieder mit dem in den 1980ern formierten Ensemble Drums Off Chaos. Gemeinsam mit Jah Wobble von Public Image Ldt und Holger Czukay, einem Freund von Can, veröffentlichten er 1982 das Album Full Circle, das mit Reggae und Dub experimentierte. Liebezeits Werk war von der Suche nach Neuem gekennzeichnet, bis zuletzt arbeitete er und trat auf.

Mit Burnt Friedman veröffentlichte er in den Nullerjahren die Albumreihe Secret Rhythms, die sich klangforschend Ambient, Dub und Jazz widmete. Kein Wunder, dass sich der von Rother als "Motorik" bezeichnete Stil in der Technokultur breiter Akzeptanz erfreute und auch dort seinen Einfluss geltend machte. Und der wird noch lange nachwirken. (Karl Fluch, 23.1.2017)