Es sind die Mützen. Rosa Wollmützen mit Katzenohren: "Pussy Hats", wie sie genannt werden. Und es sind nicht nur Frauen, die diese Mützen tragen. Auch David Plocher marschiert damit auf der Independence Avenue in Richtung Weißes Haus. Er ist Anwalt, beschäftigt beim US-Kongress, und obwohl das hier streng genommen ein Frauenmarsch ist, hat Plocher entschieden, dabei zu sein. An so einem Tag, sagt er, müsse man Haltung zeigen.

Auch Michael Moore ist dabei, der Filmemacher, der schon im Sommer den Wahlsieg Donald Trumps vorausgesagt hat. Den Schirm seiner roten Baseballkappe tief ins Gesicht gezogen, steht er auf einer Bühne in der Nähe des Kapitols und legt den Leuten ans Herz, dass sie täglich den Kongress anrufen sollen, um den Parlamentariern die Meinung zu sagen: "Steh auf, putz deine Zähne, mach Kaffee, führ den Hund aus, und wenn du nur eine Katze hast, starrst du eben die Katze an. Und dann greifst du zum Telefon, um den Kongress anzurufen", ruft Moore.

"Meine Frau wäre auch hier, aber sie erforscht einen chinesischen Hoax" – heißt es auf einem Transparent in Washington in Anspielung auf Donald Trumps Aussagen, der Klimawandel sei eine Erfindung der Chinesen.
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Irgendwann lässt sich der schwergewichtige Mann eine "Washington Post" reichen, um sie mit theatralischem Effekt zu zerreißen. Trump habe die Macht übernommen, hatte die Zeitung am Sonnabend getitelt. "Ich glaube das nicht", widerspricht Moore. "Die Macht ist hier! Hier ist die Mehrheit Amerikas."

"Es gab schlimmere Zeiten"

Auch Gloria Steinem ist da, eine zentrale Figur der US-Frauenbewegung, Gründerin der ersten feministischen Zeitschrift des Landes. Wer so viel erlebt habe wie sie, sagt die 82-Jährige, wisse, dass es "schon schlimmere Zeiten gegeben" habe. Etwa 1968 nach den Morden an Martin Luther King und Robert Kennedy. Manchmal, so Steinem, müsse man durch körperliche Anwesenheit verdeutlichen, wofür man stehe. Manchmal genüge es nicht, am Computer die Sendetaste zu drücken.

Schließlich redet sich Madonna, die Popsängerin, ihren Frust von der Seele. Vor dem Votum im November, habe sich wohl ein trügerisches Gefühl der Sicherheit eingeschlichen. Nun, das Gute habe diese Wahl nicht gewonnen, am Ende aber werde es siegen. "Ja, ich bin wütend. Ja, ich bin empört. Ja, ich habe oft daran gedacht, das Weiße Haus in die Luft zu jagen. Aber das würde nichts ändern." Dieser Marsch bedeute die Weigerung, sich mit einer "neuen Tyrannei" abzufinden, sagt Madonna.

Nicht nur in Washington, auch in Los Angeles zeigten viele, was sie von Trump halten: nämlich nichts.
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Und auch Teresa Shook ist da, eine Juristin, die sich in Hawaii zur Ruhe gesetzt hat. Als Trump zum Präsidenten gewählt war, schlug sie auf ihrer Facebook-Seite vor, seiner Amtseinführung einen "Women's March" entgegenzusetzen. Daraus wurde eine Lawine. Später regte eine kalifornische Drehbuchautorin namens Krista Suh an, rosa "Pussy Hats" zu stricken. Eine Anspielung auf die sexistischen Sprüche des neuen Staatschefs, dokumentiert durch ein Video aus dem Jahr 2005. Wer ein Star sei, könne sich bei Frauen alles erlauben, hatte der Tycoon damals geprahlt: "Pack sie an der Muschi (englisch: Pussy, Anm.), du kannst alles machen."

"Superhelden treten an"

Eine halbe Million Menschen, schätzen die Organisatorinnen, sind am Samstag durch die Straßen Washingtons gezogen, zehntausende mit rosa Wollmützen.

Judy Thoms ist aus New York angereist. Dieser Tag gebe ihr Hoffnung, es sei wie im Comic, sagt sie schmunzelnd: "Die Superhelden treten an, um der Macht des Bösen die Stirn zu bieten." Cynthia Doherty trägt ihre vierjährige Tochter auf den Schultern, und das Mädchen trägt ein Plakat, auf dem salopp steht: "Issa Little Woman". Ihre Tochter solle beizeiten lernen, dass ihre Stimme Gewicht habe, sagt Doherty. "I miss Bush", ist hinter ihr auf einem Stück Karton zu lesen, was wohl bedeuten soll: lieber George W. Bush als Donald Trump.

Ach ja, die Poster: Es gibt die augenzwinkernde Forderung, Melania Trump zu befreien, den Ruf nach dem Matriarchat, die ironisch skizzierte Vermählung Trumps mit Wladimir Putin, das Bild einer Muslima mit Kopftuch, nur dass es sich bei dem Kopftuch um ein amerikanisches Sternenbanner handelt. Dann wieder hat jemand auf einem Plakat verewigt, wozu die Schauspieldiva Elizabeth Taylor einst riet: "Gieß dir einen Drink ein, trag ein wenig Lippenstift auf – und reiß dich zusammen!" (Frank Herrmann aus Washington, 22.1.2017)

"Gieß dir einen Drink ein, trag ein wenig Lippenstift auf – und reiß dich zusammen!" sagt schon Elizabeth Taylor.
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