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Ein Feuerwehrhubschrauber ist am Donnerstag in der Provinz Pescara im Einsatz, wo eine Lawine Mittwochabend ein Hotel in Farindola verschüttet hat.

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Das Hotel Rigopiano nahe dem Ort Farinfola in einer Luftaufnahme.

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Der Schnee presste sich in das Hotel in Farindola hinein.

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Die Menschen im Bebengebiet leiden unter enormen Schneemassen.

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In der Gemeinde Montereale nahe Amatrice wurden Menschen in einem Zelt untergebracht.

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Farindola/Amatrice – Acht Menschen, darunter zwei Kinder, sind lebend aus den Trümmern des von einer Lawine verschütteten Hotels Rigopiano in der mittelitalienischen Region Abruzzen geborgen worden. Dabei handelt es sich um drei Männer, zwei Frauen und ein Kind. Sie werden ins Krankenhaus der Adria-Stadt Pescara geflogen.

135 Retter seien am Unglücksort im Einsatz. Es handelt sich um "eine komplexe und gefährliche Bergungsaktion". Lawinenexperten seien im Einsatz, um die Gefährlichkeit der Lage zu prüfen, berichtete Zivilschutzsprecherin Titti Postiglione. Das Militär sei im Einsatz, um die Straßen zum Hotel wieder befahrbar zu machen. Mehrere Hubschrauber brachten die Überlebenden ins Spital nach Pescara.

Die Nachricht der Bergung von sechs Überlebenden löste Hoffnung unter den Angehörigen der Vermissten aus. Sie warteten in einer Einrichtung in der Ortschaft Penne am Fuß des Gran Sasso auf Nachrichten von den Rettungsmannschaften. "Schon am Vormittag hatten wir konkrete Hoffnung, noch Überlebende finden zu können", sagte Bubbico. Die italienische Gesundheitsministerin, Beatrice Lorenzin, dankte den "heldenhaften Rettern", die pausenlos am Unglücksort im Einsatz seien. Die Überlebende waren in einem Dachboden lokalisiert worden. Die Helfer konnten vor der Bergung mit ihnen sprechen.

Nach Medienberichten wurden bisher vier Leichen geborgen. Der Zivilschutz bestätigte zwei Tote. Mindestens zwei weitere Menschen überlebten das Unglück und wurden bereits am Donnerstag in Sicherheit gebracht.

Mit voller Wucht

Die gigantische Lawine hatte sich Mittwochabend an den Hängen des fast 3.000 Meter hohen Gebirgsmassivs des Gran Sasso d'Italia gelöst – vermutlich als Folge eines der zahlreichen Nachbeben, die am gleichen Tag in Mittelitalien registriert worden sind. Sie traf das Vier-Sterne-Hotel Rigopiano in der Abruzzen-Gemeinde Farindola mit voller Wucht: "Die Situation ist dramatisch, das Hotel existiert nicht mehr, es wurde weggefegt, nur ein Teil des Komplexes steht noch", erklärte ein Sprecher der Feuerwehr vor Ort.

Tausende von Tonnen Schnee, Trümmer, Geröll und umgerissene Bäume bedeckten das Gelände; man habe Matratzen mehrere hundert Meter weit vom Unglücksort entfernt gefunden. Laut Behörden befanden sich zum Zeitpunkt des Unglücks vermutlich 34 Personen im Hotel: 22 Gäste, acht Angestellte, vier Besucher.

Alarm geschlagen hatte der 38-jährige Hotelgast Giampiero Parete. Er hatte per SMS Notrufe abgesetzt, kurz nachdem die Lawine niedergegangen war. "Ich habe überlebt, weil ich im Auto etwas holen wollte und mich deshalb nicht im Hotel befand", erklärte Parete im Staatssender Rai. "Meine Frau und zwei Kinder sind aber noch im Hotel", erzählte er den Rettungskräften verzweifelt.

Ein zweiter Hotelgast, der sich im Freien befand, konnte sich ebenfalls retten. Auch aus dem verschütteten Hotel ist ein Notruf gekommen: "Helft uns, wir sterben an Kälte", schrieb ein Ehepaar auf Whatsapp.

Die Bergung der im Hotel verschütteten Gäste und Angestellten war von Anfang an ein verzweifelter Wettlauf gegen die Zeit. Schon unmittelbar nach dem Eintreffen des ersten Notrufs hatten sich Räum- und Rettungsfahrzeuge von dem auf 530 Meter über Meer gelegenen Farindola auf den Weg gemacht, um sich zu dem von der Umwelt abgeschnittenen, 700 Meter höher gelegenen Sport- und Wellnesshotel durchzuschlagen.

Doch auf der neun Kilometer langen, kurvenreichen Zufahrtstraße war nach den tagelangen intensiven Schneefällen kein Durchkommen mehr. Trotz der hohen Lawinengefahr und eines heftigen Schneesturms machte sich deshalb noch am Abend ein Trupp des örtlichen Bergrettungsdienstes auf Skiern und Fellen bei völliger Dunkelheit auf, um den Verschütteten zu Hilfe zu eilen. Donnerstag um vier Uhr morgens erreichten sie als Erstes die beiden Überlebenden in ihren Autos – doch der Unglücksort selber habe im Schein der Taschenlampen "einen apokalyptischen Anblick" geboten, sagte der Chef der Bergretter, Antonio Crocetta.

Schnee bis weit ins Gebäude

Die Bergung der Verschütteten konnte erst Donnerstagfrüh richtig beginnen, als die Witterungs- und Sichtbedingungen es erlaubten, dass Hubschrauber zum Unglücksort aufsteigen konnten. Um 9.30 Uhr konnte schließlich das erste Opfer tot geborgen werden. Doch auch danach dauerte es noch Stunden, bis sich die Retter in die zahlreichen Räume des großen Hotelkomplexes mit mehreren Dutzend Gästezimmern und drei Konferenzsälen vorarbeiten konnten: Durch die Druckwelle der Lawine hatten sich die Schneemassen bis weit ins Innere des Gebäudes geschoben. In dem, was vom Hotel übriggeblieben war, sowie auf dem riesigen Lawinenkegel kamen Lawinenhunde zum Einsatz.

Bisher wurden vier Leichen geborgen. Alle anderen Angestellten und Gäste galten Donnerstagabend als vermisst, von ihnen gab es keine Lebenszeichen. Im benachbarten Ort Penne haben die Behörden eine Sammelstelle eingerichtet, wo die Angehörigen psychologisch betreut werden. Der nationale Zivilschutzchef Fabrizio Curcio erklärte, dass die Suche nach den Vermissten auch in der Nacht weitergeführt werde. Die Hoffnung, noch Überlebende zu finden, sank aber mit jeder Stunde.

Ermittlungen wegen Fahrlässigkeit

Die Justizbehörden wollen indes ergründen, ob das Ressort eine unsichere Hanglage hatte. "Erdbeben und Schnee sind die Hauptverantwortlichen dieses Unglücks. Doch das Hotel befindet sich auf einem Hang, auf dem es der Lawinengefahr stark ausgeliefert war. Die Tatsache, dass hinter dem Hotel ein Wald lag, ist kein Sicherheitsfaktor. Im Gegenteil, eine Lawine, die einen Wald mitreißt, ist wegen der Bäume und des Gerölls noch gefährlicher", sagte ein Ingenieur aus der Abruzzen-Hauptstadt L'Aquila, Dino Pignatelli, laut der römischen Tageszeitung "Il Messaggero".

Die Staatsanwältin von Pescara, Cristina Tedeschini, ermittelt wegen Fahrlässigkeit im Zusammenhang mit der Katastrophe. Sie will die Entstehung des Hotels prüfen. Der Besitzer gehört zu den Vermissten. Er hatte das Hotel von seinem Vater geerbt, der eine Berghütte in ein elegantes Hotel umgewandelt hatte. 2007 hatte er weiter massiv in das Ressort investiert und es zum Vier-Sterne-Hotel aufgestockt. Der exklusive Spa-Bereich und neue Kongressräume waren vom damaligen Senatspräsidenten, dem aus den Abruzzen stammenden Franco Marini, eingeweiht worden. Stars wie US-Schauspieler George Clooney und andere Künstler sowie Politiker zählten zu den Gästen.

In Zusammenhang mit den Erweiterungsarbeiten des Hotels waren 2010 Korruptionsermittlungen gegen zwei Bürgermeister von Farindola eingeleitet worden. Diese endeten jedoch mit einem Freispruch. Inzwischen lief gegen den Besitzer eine Untersuchung wegen betrügerischen Bankrotts. Er soll den Besitz des Hotels einer fiktiven Gesellschaft übertragen haben, um sie Gläubigern zu entziehen. Schulden in Höhe von 2,5 Millionen Euro lasteten auf dem Unglückshotel. (Dominik Straub aus Rom, APA, 20.1.2017)