Bild nicht mehr verfügbar.

Donald Trump neben Wladimir Putin an einer Hauswand in Belgrad, dazwischen die Botschaft "Kosovo ist Serbien". Vor allem serbische Nationalisten fühlen sich durch Trumps Wahl im Aufwind.

Foto: AP Photo/Darko Vojinovic

Marinko Umičević hat wegen der Amtseinführung des neuen US-Präsidenten bereits die Geschenke für Donald Trump und dessen Frau Melania vorbereitet: Priglavke, gestrickte Wollpatschen mit schöner Musterung, und einen Schal mit der Flagge der Republika Srpska für Donald. Für Melania hat er ein besticktes Nachthemd besorgt. Nun ist Herr Umičević mehr als enttäuscht, weil er kein Visum bekommen hat, um bei der Amtseinführung dabei zu sein. Der Direktor der Schuhfabrik Bema hatte noch im Wahlkampf Melania Schuhe geschickt. Die Trumps sind bei manchen Leuten auf dem Balkan sehr beliebt.

Etwa beim Präsidenten der Republika Srpska, dem Sezessionisten und Nationalisten Milorad Dodik. In Bosnien-Herzegowina verfolgen die Bürger seit Wochen, ob Dodik nun zur Amtseinführung nach Washington fahren kann oder nicht. Ihm wurde schon bisher von der US-Botschaft in Sarajevo ein Visum verweigert – sowohl als Politiker als auch als Bürger. Am Dienstagabend kam dann der Knalleffekt: Es sickerte durch, dass die USA Sanktionen gegen den bekanntesten Balkanpolitiker erlassen werden. Die schneidende US-Regierung will offenbar noch schnell vor Trumps Amtsantritt die Richtung vorgeben und Schlimmeres verhindern.

Umstrittenes Referendum

Dodik versucht seit Jahren die Abspaltung der Republika Srpska voranzutreiben und will kommendes Jahr ein Referendum darüber abhalten – nicht von ungefähr 100 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs. Mit seinem Referendum im vergangenen September zur Beibehaltung des Feiertags der Republika Srpska, der vom Verfassungsgerichtshof untersagt worden war, hat Dodik bereits eine "Sezession im rechtlichen Bereich" vollzogen, wie der Hohe Repräsentant Valentin Inzko analysierte.

Eine weitergehende Sezession, also die Teilung Bosnien-Herzegowinas, würde nicht nur allen internationalen Verträgen widersprechen, sondern auch eine äußerst gefährliche Destabilisierung auslösen.

Freude bei Nationalisten

Serbische Nationalisten in Serbien, Bosnien-Herzegowina und dem Kosovo setzen auf Trump, weil sie in ihm einen prorussischen Politiker sehen. Und weil sie hoffen, dass er ihre Anliegen vertreten könnte. Andererseits macht Trumps Islamophobie den anderen – vor allem den Muslimen – auf dem Balkan Angst. Zu den Anliegen der serbischen Nationalisten gehört die Abspaltung der Republika Srpska von Bosnien-Herzegowina, dass der Kosovo weiterhin nicht von Serbien anerkannt wird und sämtliche offenen Fragen damit ungelöst bleiben. Nato-General Jens Stoltenberg will im Februar nach Bosnien-Herzegowina reisen. Dodik hat in der Zwischenzeit gedroht, dass die Republika Srpska aus einer gemeinsamen Vereinbarung der bosnischen Landesteile über die bosnischen Truppen aus dem Jahr 2005 austreten könnte.

Bosnien-Herzegowina nimmt seit 2010 am Aktionsplan für eine Nato-Mitgliedschaft Teil. Doch die Republika Srpska verweigert seit Jahren, dass das Militäreigentum in dem Landesteil registriert wird, was eine Grundvoraussetzung für die Nato-Annäherung wäre. Es ist klar, dass das Stoppsignal aus Moskau kommt. Der Sekretär des russischen Nationalen Sicherheitsrats, Nikolaj Platonowitsch Patruschew, meinte kürzlich, dass die Versuche der US-Regierung, die Nato auf Bosnien-Herzegowina, Montenegro und Mazedonien auszudehnen, die Beziehungen zwischen den USA und Russland zurückgeworfen hätten.

Zuspitzung

In den vergangenen Tagen hatte sich die Lage angesichts des bevorstehenden Wechsels in der US-Politik auf dem Balkan zugespitzt. Dodik sprach offen von der Idee eines Großserbien – wie es die Nationalisten in den Kriegsjahren 1992 bis 1995 taten. Serbien schickte einen Propagandazug mit der Aufschrift "Kosovo ist Serbien" in den Kosovo, und in Frankreich wurde aufgrund eines serbischen Haftbefehls der ehemalige kosovarische Premier Ramush Haradinaj verhaftet.

In einer derart fragilen Region wie dem Balkan, in der drei Staaten durch innere Konflikte oder ungelöste Streitigkeiten mit den Nachbarn und eine schlechte Regierungsführung bedroht sind – Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Kosovo –, hat das mögliche Wegbleiben der wichtigsten Stabilisierungskräfte USA und Nato gefährliche Auswirkungen. Die Pax Americana und die gemeinsame Richtung der EU und der USA, die seit dem Ende der Kriege in Kroatien, Bosnien-Herzegowina und dem Kosovo vorgegeben war, wird infrage gestellt. Trumps Abwertung von Nato und EU ziehe der langjährigen gemeinsamen Initiative den "Teppich unter den Füßen weg", sagt Tobias Flessenkemper vom Institut Cife in Nizza.

Trump bringt tatsächlich Unruhe auf den Balkan, und die unklare US-Politik trifft auf eine äußerst schwache EU, deren Vertreter in Südosteuropa auch nicht mit starken Botschaften ankommen. "Die transformative Kraft der EU ist ohnehin schon versiegt", so Flessenkemper. "Und nun ist auch noch der Zaubertrank aus Washington weg." Es bestehe die Befürchtung, dass balkanisches Abenteurertum wieder zugelassen wird.

US-Unterstützung für Kosovo wackelt

An einer Hauswand in Belgrad tauchte kürzlich ein Gemälde auf, das Donald Trump neben Wladimir Putin zeigte, dazwischen der Satz "Kosovo ist Serbien". Der jüngste europäische Staat, der sich 2008 für unabhängig erklärte, konnte immer mit der Unterstützung der USA rechnen. Nun hoffen offenbar manche, dass sich die Entscheidungen der Vergangenheit revidieren lassen. Das hat mit der Erwartung zu tun, dass Trump sich international kaum engagieren wird und damit Russlands Einflusssphäre enorm wachsen könnte.

Der russische Einfluss auf dem Balkan ist schon seit geraumer Zeit zu spüren. Nicht nur ein Teil der serbischen politischen Elite, sondern auch jene in Mazedonien, Montenegro und insbesondere Bosnien-Herzegowina folgt den geopolitischen Interessen Russlands. Dazu gehört vor allem, dass Russland eine Nato-Erweiterung auf dem Balkan verhindern will. In Montenegro soll es wegen der anstehenden Nato-Erweiterung nach Lesart der "prowestlichen" Regierung kurz vor der Wahl im Herbst sogar einen Putschversuch gegeben haben.

Nato-Beitritt Montenegros als wesentlicher Faktor

Noch ist Montenegros Nato-Beitritt nicht abgesegnet. Das Komitee für Beziehungen zum Ausland des US-Senats hat aber kürzlich einen Beschluss an den Senat gesandt, in dem es die Mitgliedschaft des kleinen Balkanstaats mit nur 620.000 Einwohnern unterstützt. Im Senat braucht es eine Zweidrittelmehrheit. Tritt Montenegro tatsächlich bei, wären alle Adria-Anrainerstaaten Teil des Bündnisses. Allerdings warnt Russland seit Jahren davor. Sollte Trump den Nato-Beitritt nicht unterstützen, gebe es die Möglichkeit, dass Montenegro "in die Hände Russlands" fallen würde, warnte Daniel Serwer von der Johns-Hopkins-Universität kürzlich. Bisher haben 22 der 28 Nato-Mitglieder das Beitrittsprotokoll für Montenegro ratifiziert.

Etwa die Hälfte der montenegrinischen Bevölkerung – insbesondere jene Bürger, die sich der serbischen Volksgruppe zurechnen – sind gegen den Beitritt – unter anderem, weil sie gegen den Nato-Angriff auf Serbien im Kosovo-Krieg 1999 waren. Auswirkungen hat aber auch Trump als Bully-Politiker, der mit Machogehabe, persönlichen Interessen und Drohungen gegenüber Andersdenkenden einfach durchkommt. "Mit dem Hinweis auf Trump kann vieles von dem, was bislang kritisch gesehen wurde, in der Region als 'normal' dargestellt werden", sagt Flessenkemper. "Denn an Personenkult, Verquickung von privaten und politischen Interessen, Nepotismus und Unberechenbarkeit herrscht in Südosteuropa kein Mangel. Es ist zu befürchten, dass mit Trump im Weißen Haus die ohnehin geschwächten europäischen Institutionen kaum mehr Gehör finden werden." (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, 19.1.2017)