Bei dem irrtümlichen Angriff starben dutzende Menschen.

Foto: AFP PHOTO / Médecins sans Frontières (MSF)

Kano/Abuja – Im Einsatz gegen die Islamistengruppe Boko Haram hat die nigerianische Luftwaffe versehentlich ein Flüchtlingslager im nordöstlichen Bundesstaat Borno bombardiert und dabei dutzende Menschen getötet. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen sprach nach dem Angriff vom Dienstag von 52 Toten und 120 Verletzten. Das Militär räumte ein, das Lager versehentlich angegriffen zu haben.

"Ein Kampfjet hat das falsche Ziel getroffen", hieß es aus Militärkreisen im Bundesstaat Borno. Die Opferzahl sei "enorm", sagte der ranghohe Vertreter weiter, ohne sich konkreter zu äußern. Getroffen wurde am Vormittag das Flüchtlingslager in Rann im Norden von Borno. In dem Flüchtlingslager halten sich Menschen auf, die vor der Boko Haram geflohen waren. Das Camp wurde beschossen, als Helfer gerade Essen an die Flüchtlinge verteilten.

Falsches Ziel

Der Anrainer Abba Abiso sagte AFP, statt des Flüchtlingslagers in Rann sollte offenbar der nahe gelegene Ort Kala beschossen werden. Dorthin habe Boko Haram vor einigen Wochen seinen Stützpunkt verlegt, nachdem die Armee die Islamistengruppe aus dem Sambisa-Wald vertrieben hatte.

Auch der Generalmajor Lucky Irabor, der die Militäreinsätze gegen Boko Haram leitet, sagte vor Journalisten, die Luftwaffe habe Koordinaten von Boko-Haram-Kämpfern in der Region Kala-Balge bekommen. Leider habe sich das angegriffene Ziel als das falsche herausgestellt.

Rot-Kreuz-Mitarbeiter getötet

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz erklärte, unter den Toten seien sechs Mitarbeiter des nigerianischen Roten Kreuzes. Außerdem wurden demnach 13 Rot-Kreuz-Mitarbeiter verletzt. Auf Bildern vom Angriffsort waren verletzte Kinder mit zerrissenen Kleidern und Blutflecken zu sehen, die weinten, sowie ausgebrannte Baracken.

Ärzte ohne Grenzen beteiligte sich nach dem Angriff an den Rettungsarbeiten vor Ort. Auch ihre Teams in den Nachbarländern in Kamerun und im Tschad stünden bereit, Verletzte aus Rann zu behandeln, erklärte die Hilfsorganisation. "Dieser großangelegte Angriff auf verletzliche Menschen, die bereits vor extremer Gewalt geflohen sind, ist schockierend und inakzeptabel", erklärte der Einsatzleiter von Ärzte ohne Grenzen, Jean-Clement Cabrol.

"Tiefe Traurigkeit"

Der nigerianische Staatschef Muhammadu Buhari erklärte, er empfinde "eine tiefe Traurigkeit" über diesen "bedauernswerten operationellen Irrtum". Er rief die Bevölkerung zugleich zur Ruhe auf.

Boko Haram kämpft seit Jahren für die Errichtung eines islamischen Gottesstaats im mehrheitlich muslimischen Nordosten Nigerias. Die Gruppe verübt immer wieder Angriffe auf Polizei, Armee, Kirchen und Schulen. Seit 2009 wurden in dem Konflikt mehr als 20.000 Menschen getötet. Außerdem ergriffen 2,6 Millionen Menschen die Flucht.

Das nigerianische Militär erzielte zuletzt allerdings Fortschritte im Kampf gegen die Gruppe und erklärte im Dezember, der Konflikt sei in seine Endphase getreten. Generalmajor Irabor sagte zu dem versehentlichen Angriff vom Dienstag, dies sei das Ergebnis der Wirren dieses Konflikts. Der Vorfall sei "bedauerlich" und zeige, "dass dieser Krieg beendet werden muss".

Im März 2014 hatte die nigerianische Luftwaffe im Kampf gegen Boko Haram schon einmal irrtümlich Zivilisten bombardiert. Ein Kampfflieger verwechselte das Dorf Kayamla im Bundesstaat Borno bei einem nächtlichen Einsatz mit einem Lager von Boko Haram und tötete fünf Menschen. (APA, 17.1.2017)