Natal – Nach dem Blutbad in einem brasilianischen Gefängnis hat die Polizei am Montag das Dach der Haftanstalt geräumt, das von mehreren Dutzend Häftlingen besetzt worden war. Die Häftlinge waren auf das Dach des Alcacuz-Gefängnisses bei Natal, der Hauptstadt des Staats Rio Grande do Norte, geklettert. Auf einer Fahne stand geschrieben: "Wir wollen Frieden, aber wir laufen nicht vor dem Krieg davon."

Polizeikräfte feuerten zudem Gummigeschoße auf Angehörige von Häftlingen, die sich vor dem Gefängnistor versammelt hatten. Erst Sonntag in der Früh (Ortszeit) war es den Sicherheitskräften gelungen, wieder die Kontrolle über das Gefängnis zu erlangen, nachdem am Samstagabend schwerbewaffnete Häftlinge zweier rivalisierender Drogenbanden aufeinander losgegangen waren. Dabei wurden mindestens 26 Gefangene getötet. Gefangene unterbrachen die Stromzufuhr, einige sollen im Besitz von Schusswaffen gewesen sein. Am Montagvormittag drangen erneut rund 50 Elitepolizisten in das Gefängnis ein, um eine weitere Eskalation der Gewalt zu verhindern.

Die anhaltende Gewalt in Brasiliens Haftanstalten bringt Präsident Michel Temer zunehmend in Bedrängnis. Seiner Regierung wird Untätigkeit vorgeworfen. Nach dem Massaker im Alcacuz-Gefängnis erklärte Temer auf Twitter, er verfolge genau die Lage und habe den örtlichen Behörden die "notwendige Unterstützung" zugesagt. Für Dienstag lud das Justizministerium in Brasilia alle Verantwortlichen der Bundesstaaten zu einer Krisensitzung ein.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisierte, die Behörden würden "ein gefährliches Spiel" spielen, indem sie die Ausmaße der Problem im Strafvollzug unterschätzten. Amnesty forderte eine unabhängige Untersuchung des Blutbands in der Haftanstalt Alcacuz.

Seit Jahresbeginn wurden schon über hundert Gefangene in Brasilien bei Gewaltkonflikten in den überfüllten Haftanstalten getötet. Seit im Juli eine Waffenruhe zwischen den beiden größten Kokainbanden – dem Primeiro Comando da Capital (Erstes Kommando der Hauptstadt) aus São Paulo und dem Comando Vermelho (Rotes Kommando) aus Rio de Janeiro – zusammengebrochen war, tragen deren Mitglieder den Konflikt auch in den Haftanstalten aus.

Viele Gefängnisse werden faktisch von den Drogenbanden kontrolliert. Zudem sind die Anstalten des Landes massiv überbelegt – nach offiziellen Angaben liegt die Belegungsquote derzeit bei 167 Prozent. Auch in dem für 620 Gefangene ausgelegten Alcacuz-Gefängnis sind über tausend Menschen inhaftiert. (APA, 17.1.2017)