Das Projekt auf dem Wiener Heumarkt nach einem Entwurf von Isay Weinfeld ist auch vom Oberen Belvedere aus sehr deutlich zu sehen. Das missfällt dem Unesco-Komitee.

Visualisierung: Isay Weinfeld, Sebastian Murr

Wien im Jahr 2050? Gleiche Location wie oben. Die Collage potenziert die Befürchtungen von Bewahrern des Kulturerbes.

Illustration: Gerhard Gutruf

Die österreichischen Weltkulturerbestätten.

Grafik: Der Standard

Wien – Nach einer Nachdenkpause ist der Turm um sieben Meter geschrumpft. Die vor einem Monat vorgestellten Pläne für das Hochhaus auf dem Wiener Heumarkt in Wien-Landstraße sehen nun ein 66 Meter hohes Gebäude neben dem neugestalteten Eislaufvereinsareal vor. Für die österreichische Unesco-Kommission ist diese Vision noch 23 Meter zu hoch, um das "Historische Stadtzentrum von Wien" weiter Weltkulturerbe zu nennen. Bei der Sitzung des Welterbekomitees im Juli in Krakau dürfte Wien daher auf der Roten Liste gefährdeter Unesco-Stätten landen. Verwarnt wurde es bereits.

Die City steht seit 2001 auf der Welterbeliste – Schloss und Park Schönbrunn seit 1996. Der Unesco-Schutz des Zentrums umfasst im Wesentlichen den ersten Bezirk (ohne Donaukanalufer) sowie angrenzende Bereiche des dritten (Palais Schwarzenberg, Schloss Belvedere, Salesianerinnenkloster), vierten, siebten und neunten Bezirks. Rundherum gilt auch eine Schutz-Pufferzone.

Status ohne Folgen?

Warum die Stadt Wien überhaupt das gesamte Zentrum als eine Unesco-Zone beantragt hat, stellt Wiens Tourismusdirektor Norbert Kettner infrage. Aus touristischer Sicht habe die Verleihung des Unesco-Titels jedenfalls keine messbaren Folgewirkungen gehabt, daher hätte "eine Aberkennung aus touristischer Sicht ebenso keine", meint Kettner.

Salzburger Bilanz "durchwachsen"

"Keine besondere touristische Auswirkung" hat der Weltkulturerbestatus auch nach Einschätzung von Salzburgs Bürgermeister Heinz Schaden (SPÖ). Schadens Bilanz nach knapp zwei Jahrzehnten Welterbestatus ist "durchwachsen", wie er sagt. Besonders ärgert ihn eine gewisse Abgehobenheit des Nationalkomitees des Internationalen Rats für Denkmalpflege Icomos (offizieller Berater der Unesco in Welterbefragen).

Die Kritik von Icomos an Neubauten wie beispielsweise am neuen Uni-Park im Stadtteil Nonntal sei überzogen. Icomos hatte die neue Uni als "Anfängerfehler" abgekanzelt. An eine mögliche Aberkennung der Auszeichnung möchte Schaden aber auch nicht denken: "Das mit Dresden war ein sehr unschöner Vorgang."

Dresden verlor Titel wegen Brücke

Die Stadt Dresden im Freistaat Sachsen hat bereits Erfahrung mit der Titelaberkennung wegen des Baus der vierspurigen Waldschlösschenbrücke im Elbtal. Ein paar Jahre danach sagte Sachsens FDP-Chef Holger Zastrow zu den Folgen: "Dresden ist kein Stück unattraktiver geworden, weder für die Einwohner noch für Touristen."

Besucherandrang kann den Status ebenfalls ins Wanken bringen: Zumindest steht dieser Schritt für Venedig im Raum – wegen der vielen Kreuzfahrtschiffe.

Es gibt aber in Österreich derzeit auch Regionen, die auf den Welterbestatus hinarbeiten. So bewerben sich etwa mehrere Orte als Teil des Donau-Limes darum, auf die Liste zu kommen – gemeinsam mit Gemeinden anderer Länder. Hier liegt das Erbe oft unter der Erde, was Bauverbotszonen zur Folge haben kann.

Hans Wallowitsch (SPÖ), Bürgermeister von Bad Deutsch-Altenburg, hofft, dass die Unesco 2018 den Donau-Limes zum Welterbe erklärt. Zwar sei dieser Status "etwas Abstraktes", dennoch könne seine Gemeinde sowie das benachbarte Petronell-Carnuntum davon touristisch profitieren – und das, so meint der Ortschef, wohl mehr als eine so bekannte Stadt wie Wien. Außerdem könne dies ein Argument für Landesgelder sein und Impulsgeber für grenzüberschreitende Projekte, meint Wallowitsch.

Auch Hall in Tirol will Aufnahme

Auch die Münzprägestadt Hall in Tirol versucht gerade erneut, auf die Liste des Weltkulturerbes gesetzt zu werden. Zuletzt reichte man 2014 für die historische Altstadt sowie den Münzturm, in dem 1486 der erste Taler geprägt wurde, ein. Doch Icomos habe abgeraten, sagt Vizebürgermeister Werner Nuding (ÖVP). Zwischenzeitlich wurden bei archäologischen Ausgrabungen die Überreste der mit Wasser angetriebenen Walzenprägemaschine gefunden. "Nun wird auf Bundesebene eine neuerliche Einreichung geprüft", so Nuding.

Hallstätter Probleme mit Unesco

Andere Bürgermeister, wie der Hallstätter Alexander Scheutz (SPÖ) haben mit dem Welterbestatus so ihre liebe Not. Seit langem versuchen die Hallstätter das barocke ehemalige Salinen-Amtshaus mittels eines Anbaus zu einem Hotel umzubauen. Bis dato ist man am Weltkulturerbestatus gescheitert. Jetzt will Scheutz mit einem internationalen Architektenwettbewerb die Blockade durch Icomos überwinden. Die Qualität der Entwürfe werde hoch sein, verspricht Scheutz. (Steffen Arora, Thomas Neuhold, Gudrun Springer, 16.1.2017)