Werner Pawlok, "Cuba expired". Mit Texten von Stephan Reisner.

€ 98,- / 320 Seiten. Verlag Frederking & Thaler, München 2016

Foto: Werner Pawlok

In Wahrheit ist es ein bibliophiles Memento mori, das Fotograf Werner Pawlok in seinem Opus magnum zeigt. "Cuba expired" kündet von Vitalität, vom Glanz vergangener Zeiten, vom unaufhaltsamen Verfall. Der 1953 in Stuttgart geborene Autodidakt dokumentierte verfallende Paläste, morbide Herrenhäuser, filigrane Marmorseide, phosphoreszierende Sandsteinasche, Fresken, Holzintarsien, lichtdurchflutete Atrien mit pastellig changierenden und abbröckelnden Wänden. Schimmernd wechselhaft azurfarben, mint, zitronengelb oder in Terrakottatönen. Wie von Impressionisten gemalt, liegt hinter vom Salpeter des Meerwassers zerfressener Fassade mit symmetrisch angeordneten Fenstern ein Patio mit Arkaden, majestätischen Säulen, zarten Vorhängen, Jalousien, kunstvollen Fenstergittern aus Schmiedeeisen, hohe Gewölbe, umwölkt von Staub und Spinnweben. Glasfächer über Entree, Patio oder Vestibül.

"Wenn ich in einen Raum komme, dann ist es für mich so, als würde ich in einen Film eintreten. Das Zimmer beginnt mir Geschichten zu erzählen", erklärt Werner Pawlok.
Foto: Aufschlagseite aus Werner Pawloks "Cuba expired", fotografiert von Lukas Friesenbichler

Pawlok zeigt die Orte menschenleer. Dennoch sind die Momentaufnahmen Zeuge derer, die hier gewohnt, hier gelebt, gelacht, geliebt und gelitten haben. Von der Gestaltung her könnte Pawloks Album direkt aus einem der abgebildeten, holzgetäfelten, mit Fresken geschmückten Räume entnommen sein; einer kolonialistischen Bibliothek, von Charme désolé beseelt. Ein Großformat, in Seide gehüllt, mit geprägtem Rücken und Lesebändchen. So werden Zerrissenheit der Gegenwart und Sehnsucht nach einer vermeintlich goldenen Vergangenheit nachvollziehbar. Man muss das Erbe Kubas verinnerlichen, um zu verstehen, warum die Bilder weder romantisch noch pittoresk sind, sondern das Vergängliche des Lebens thematisieren. Als Menetekel des Umgangs mit Weltkulturerbe, wider Schnelllebigkeit und Oberflächlichkeit. Ein seltener Glücksfall der Gutenberg-Galaxis. Ein Ausdruck von Schönheit und Zerfall im Modus des Ästhetischen. (Gregor Auenhammer, 19.01.2017)