"SPÖ und ÖVP haben noch immer den anderen als historischen Gegner im Auge", sagt die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle.

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STANDARD: SPÖ und ÖVP gehen in diesen Tagen wieder einmal in sich und proben den Neustart. Kann das wirklich noch mal etwas werden mit dieser Koalition?

Stainer-Hämmerle: Es bleibt immer die Frage nach Alternativen, die ja nicht wirklich in Sicht sind. Bei der SPÖ müssen wir auf diesen Kriterienkatalog warten, wie diese Annäherung an die Freiheitlichen funktionieren soll, und in der ÖVP ist auch vieles unklar. Solange Reinhold Mitterlehner bleibt, dürfte es zu keiner Koalition mit der FPÖ kommen. Sebastian Kurz gilt zwar als fixer nächster Spitzenkandidat, aber da würde ich zur Vorsicht mahnen. Er muss erst einmal die Mehrheit in der ÖVP hinter sich bringen. Ich bin mir nicht sicher, ob das so eine "gmahde Wiesn" wird für ihn.

STANDARD: Ein gewisses Bemühen kann man den einzelnen Regierungsmitgliedern durchaus unterstellen. Aber letztlich überwiegt die Lust am Streit, von dem keiner der beiden profitieren kann. Haben Sie eine Erklärung für diesen Drang zur Selbstzerstörung?

Stainer-Hämmerle: Es spielen sicher ein bissl die mediale Darstellung und der Wunsch der Öffentlichkeit nach Kontroverse eine Rolle. Auf der anderen Seite ist klar: SPÖ und ÖVP haben noch immer den anderen als historischen Gegner im Auge. Man muss sich überlegen: Wann sind die handelnden Personen großteils politisch sozialisiert worden? In den 1970er-Jahren – mit Ausnahme von Kurz –, als es zwischen SPÖ und ÖVP hart um die Macht ging. Das ist eine Prägung und entzieht sich oft rationalen Zugängen. Das steckt ihnen noch in den Knochen.

STANDARD: Es ist ja eine groteske Situation: Beide würden gerne aussteigen, aber beide wissen, dass es ihnen nichts bringt?

Stainer-Hämmerle: Für die SPÖ kann sich sowieso nicht viel verändern, mehr als Erster werden geht ohnehin nicht. Die ÖVP muss sich halt überlegen – und das ist ihr Dilemma -, wie sie aus der Rolle des Juniorpartners wieder herauskommt. Sie müsste mutiger werden und auch die Opposition in Kauf nehmen. Es ist nicht einfach, Ministerien für das Oppositionsbankerl aufzugeben, aber ein wirklicher Erneuerungsprozess geht wahrscheinlich in der Opposition am besten. Die SPÖ ist ja auch danach Kanzlerpartei geworden. Oder aber sie trennt die Funktionen. Ein Ministerium, den Vizekanzler machen und den Parteichef ist zu viel. Einem Nurparteichef müssten sich aber alle unterordnen. Das würde andererseits schon bei Mitterlehner und Kurz nicht funktionieren.

STANDARD: Kurz hat jetzt noch kaum innerparteiliche Verantwortung zu tragen, kann eigentlich jeden Tag einen Kürlauf auf der tollen Bühne der Außenpolitik hinlegen. Was aber, wenn er die Gesamtverantwortung für die Partei übernehmen muss?

Stainer-Hämmerle: Solange man sich die Finger an der Innenpolitik nicht schmutzig machen muss, ist man immer der Good Guy, man kann herumfahren und schöne Fotos mit wichtigen Personen der Weltgeschichte machen. Kurz wird aber schnell entzaubert, wenn ihm dann auf einmal die eigenen Landeshauptleute in die Suppe spucken können. (Walter Müller, 13.1.2017)