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Zahlreiche Journalistinnen und Journalisten wollten bei Trumps erster Pressekonferenz seit einem halben Jahr eine Frage stellen. Doch nicht jedem wurde das erlaubt.

Foto: REUTERS/Lucas Jackson

Was Donald Trump von Journalisten hält, jedenfalls von ihnen zu halten vorgibt, hat er anderthalb Jahre lang im Wahlkampf deutlich gemacht. Auf seinen Kundgebungen gehörte es zum Routineprogramm, in der Pose des Scheinempörten auf die am Ende des Saals hinter Absperrgittern versammelten Reporter zu zeigen und zu rufen, das seien die unehrlichsten Leute, die man sich vorstellen könne. Irgendwann hielt dann auch eine deutsche Wortschöpfung Einzug in das Vokabular seines Kampagnenstabs: Lügenpresse. Nach seinem Sieg, hofften manche, würde Trump reifen. Die Aussicht auf den Einzug ins Weiße Haus würde ihn disziplinierter werden lassen, souveräner. Eine chaotische Pressekonferenz, die erste seit fast sechs Monaten, hat die Hoffnungen am Mittwoch fürs Erste begraben. Der Staatsmann Donald J. Trump – man wird noch eine Weile darauf warten müssen.

Was vor allem schockierte, war die Gutsherrenart, mit der der designierte Präsident einen gestandenen Journalisten des Fernsehsenders CNN abkanzelte, als wäre der nur ein lästiger Störenfried. Jim Acosta, ein alter Hase, seriös bis in die Haarspitzen, hatte Trump zugerufen, dass er eine Frage stellen wolle, nachdem dieser scharfe Kritik an CNN geübt hatte. "Sie nicht", bekam er zur Antwort. "Ihre Organisation ist grässlich." Als Acosta insistierte, stauchte ihn der Mann am Pult zusammen wie einen Schuljungen. "Seien Sie still! Seien Sie still!" "Sie sind Fake News." Wenn Trump seinen Sender derart attackiere, müsse er ihm, Acosta, schon auch eine Frage gestatten, beharrte der Reporter. "Nein, Sie kriegen keine Frage. Sie sind Fake News."

Der CNN-Journalist Acosta durfte bei Trumps Pressekonferenz keine Frage stellen.
BBC News

Unbestätigtes Geheimdienstmaterial

CNN, dies zur Vorgeschichte, hatte als erstes Medium über ein Geheimdossier berichtet, in dem russische Quellen angeblich kompromittierendes Material über Trump zusammentrugen. Angeleitet von Christopher Steele, einem in die Privatwirtschaft gewechselten Russland-Spezialisten des britischen Auslandsgeheimdiensts MI6, wollen die Agenten unter anderem gefilmt haben, wie der Immobilienmogul im Jahr 2013 im Moskauer Ritz-Carlton-Hotel eine Sexorgie mit Prostituierten feierte. Auf einem Bett, in dem auch schon Barack und Michelle Obama schliefen. Die Redaktionen großer amerikanischer Zeitungen wussten bereits seit Monaten von dem Dossier. Weil sich aber nicht hieb- und stichfest belegen ließ, dass die Behauptungen stimmten, verzichteten sie auf eine Veröffentlichung.

Erst am Dienstag machte CNN die Existenz der Dokumentensammlung publik, ohne jedoch in die Details zu gehen. Das wiederum veranlasste das Internetportal "Buzzfeed", das dubiose Dossier auf 35 Seiten ins Netz zu stellen, wofür sich Buzzfeed-Chefredakteur Ben Smith im Nachhinein heftige Vorwürfe gefallen lassen musste. "Solange es Zweifel gibt, kann man es nicht bringen", erinnert die "Washington Post" an eine alte Regel des Journalismus. In Zeiten, in denen das Vertrauen in die Presse auf dem Tiefpunkt angelangt sei, habe Smith seiner Branche einen Bärendienst erwiesen.

Fox-News-Unterstützung für Acosta

Dass aber Trump im Stile eines Feudalfürsten mit Reportern umspringt, die nur ihren Job zu machen versuchen, hat eine Lawine der Kritik ins Rollen gebracht. Kein Journalist dürfe von einem President-elect derart herabgewürdigt werden, wie es bei Acosta der Fall gewesen sei, springt Shepard Smith, Anchorman bei Fox News, dem Haussender der Konservativen, dem Kollegen demonstrativ zur Seite. "Ein Präsident darf sich nicht herauspicken, auf welche Fragen er antwortet und auf welche nicht, schon gar nicht, weil er einen bestimmten Sender nicht mag", rügt der National Press Club in Washington.

Nun ist es nicht so, dass der Tycoon den Medien immer nur die kalte Schulter gezeigt hätte. Im Gegenteil, raffinierter als jeder seiner Wahlkampfrivalen bediente er sich der Medien, um seine Botschaft unter die Leute zu bringen. Kein anderer Kandidat war in Fernsehshows präsenter als Trump. Kein anderer griff öfter zum Telefon, um etwa den Moderatoren von Fox News oder MSNBC (eher linksliberal) spontan die Meinung zu sagen.

Der "New York Times" gegenüber, schreiben Trump-Biografen, empfand der Mann fast so etwas wie Ehrfurcht, weil sie für ihn Teil jenes auf der Wolkenkratzerinsel Manhattan beheimateten Establishments war, zu dem er, der Junge aus dem New Yorker Allerweltsbezirk Queens, unbedingt auch gehören wollte. Was ihn in der Hitze des Wahlgefechts nicht daran hinderte, auch die hochgeachtete "Graue Lady", wie die Zeitung im Volksmund heißt, als üble Propagandapostille abzukanzeln, wenn ihm einer ihrer Artikel nicht passte.

Die Empfindlichkeit, mit der er nach wie vor auf Widerworte reagiert, sie vor allem ist es, die wenige Tage vor seiner Amtseinführung eine solche Ernüchterung auslöst. "Es war ein verrückter, verrückter Tag für die Politik in Amerika", schreibt die "Washington Post" und stellt eine rhetorische Frage: "Ist das unser neuer Alltag?" (Frank Herrmann aus Washington, 12.1.2017)