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Die Angst der Anleger vor Schwellenländern wie Russland schmilzt wieder dahin. Vorsicht bleibt aber geboten, denn die Erholung verläuft oft nur zögerlich, zudem hapert es mit der Corporate Governance

Foto: APA/EPA/Maxim Shipenkov

Frankfurt/Moskau/Wien – Wladimir Miroschnikow sieht ein Licht am Ende des Tunnels: "Die nächsten Monate werden zwar noch schwierig, aber ab der Jahresmitte dürften die Geschäfte wieder anziehen", sagt der Manager des größten russischen Autohändlers, der Rolf-Gruppe. Miroschnikow ist mit seinem Optimismus für die Entwicklung von Russlands Wirtschaft nicht allein.

Viele internationale Anleger trauen sich wieder, Aktien und Anleihen aus dem osteuropäischen Riesenreich zu kaufen. Andere Schwellenländer wie Indien oder Brasilien ziehen ebenfalls wieder das Interesse der Finanzmarktakteure auf sich. Doch nicht für alle aufstrebenden Volkswirtschaften heben sie den Daumen. Zu unsicher ist, wie sich der Welthandel unter dem neuen US- Präsidenten Donald Trump entwickeln wird.

Ölpreis pusht Wirtschaft

"2017 rechnen wir mit einem höheren Gewinnwachstum der Schwellenländer", sagt Devisenspezialist Peter Kinsella von der Commerzbank. Fachleute erwarten, dass vor allem die Wirtschaft in Russland dank der gestiegenen Ölpreise im laufenden Jahr um mehr als ein Prozent zulegt, 2018 sogar um zwei Prozent. Das ist von den Wachstumsraten vor der Finanzkrise zwar noch weit entfernt, 2015 war das russische Bruttoinlandsprodukt aber noch um knapp vier Prozent geschrumpft.

Führende Investmentbanken wie JPMorgan, UBS und Deutsche Bank empfehlen jedenfalls wieder Investitionen in Russland. Das Land sei auf dem Weg vom Erholungs- auf einen Wachstumspfad, betont man bei Goldman Sachs. "Viele Unternehmen haben sich größtenteils den neuen Gegebenheiten angepasst und wesentliche Schwellenländerwirtschaften haben einen politischen Reformkurs eingeschlagen", sagt Wolfgang Fickus, Mitglied des Investmentkomitees beim Fondsanbieter Comgest, der mehr als die Hälfte seines verwalteten Vermögens von rund 20 Milliarden Euro in Schwellenländer investiert hat. Vor allem in Indien, einer der weltweit am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften, sieht Fickus großes Potenzial. Brasilien könne sich nach Jahren der politischen Turbulenzen auf seine Reformen konzentrieren, sagt Rabobank-Volkswirt Wim Boonstra. "Es gibt erste hoffnungsvolle Zeichen." Für 2017 erwarten Experten in dem größten südamerikanischen Land ein Wirtschaftswachstum von 0,8 Prozent, Tendenz steigend.

Jedes Land einzeln bewerten

Die Zuversicht hängt aber stark von der Region ab. "Wir rechnen mit starken konjunkturellen Unterschieden zwischen den einzelnen Ländern, und Anleger müssen genau hinschauen, wo sie investieren", betont Helene Williamson, Leiterin des Kreditgeschäfts für Schwellenländer bei der Investmentgesellschaft First State. Besonders spannend sei, wie sehr die US-Regierung unter Trump Ländern wie Mexiko oder China schade. Trump sieht in einem freien Welthandel ja Risiken für die USA und hat bereits öfter Strafzölle auf Billigimporte angekündigt. "Grundsätzlich ist Trumps Wahlsieg als ein Schlag gegen die Globalisierung in ihrer heutigen Form zu verstehen", sagt Devisenspezialist Kinsella.

Nach dem überraschenden Wahlsieg des 70-Jährigen Anfang November werteten Währungen vieler Schwellenländer ab. Der MSCI-Index für diese Staaten verlor in wenigen Tagen knapp acht Prozent. Besonders groß ist die Unsicherheit beim US-Nachbarn Mexiko. Schon 2016 hat sich die Wirtschaft dort merklich abgekühlt, und für dieses Jahr erwarten Experten ein weiteres Minus. Gleiches gelte für den Peso, der nach Trumps Sieg fast 20 Prozent abwertete. "Sollte sich aber zeigen, dass Trumps politische Maßnahmen pragmatischer sind als derzeit befürchtet, könnten gerade Länder wie Mexiko profitieren", räumt First-State-Expertin Williamson ein.

Vorsicht walten lassen

Im Gegensatz zu anderen Schwellenländern geht es in Russland nach oben, seit klar ist, dass der durch russlandfreundliche Aussagen aufgefallene Trump ins Weiße Haus einzieht. Der Auswahlindex der Börse in Moskau gewann rund zwanzig Prozent und liegt auf dem höchsten Stand seit Herbst 2014. Der russische Rubel kostet mit 60 Dollar so wenig wie seit eineinhalb Jahren nicht mehr. "Russland kann darauf hoffen, dass unter Trump Sanktionen aufgehoben werden", sagt Rabobank-Ökonom Boonstra. Zudem profitiert das Land von den wieder anziehenden Ölpreisen. Die Nordsee-Sorte Brent kostet wegen der Aussicht auf eine Verknappung des Rohstoffs wieder fast 60 Dollar je Fass, doppelt so viel wie Anfang 2016.

Doch gerade wegen der Ölpreisabhängigkeit warnen Experten vor sorglosen Investitionen in Russland. Problematisch seien auch die nach wie vor hohe Korruption und die Staatsbeteiligung an russischen Firmen, die mit 70 Prozent doppelt so hoch sei wie 2005. Boonstra rät vor allem bei einem langfristig orientierten Engagement zur Vorsicht: "Auf lange Sicht ist die Prognose für Russland nicht ganz so positiv."

Skepsis bleibt

Auch ein weiterer Kursanstieg des Dollars und höhere Zinsen könnten den Druck auf die Schwellenländer erhöhen. Bert Flossbach, Mitgründer des Kölner Vermögensverwalters Flossbach von Storch steht Schwellenländeraktien daher noch reserviert gegenüber, auch weil die Corporate Governance in den Entwicklungsländern oft sehr schlecht ist. "Sie wissen schlicht nicht, was Sie da einkaufen", sagt der Experte zu Fondsprofessionell. Auf längere Sicht gesehen, hätte man ohne Schwellenländeraktien nicht viel verpasst. (Reuters, bpf, 12.1.2017)