Kein Telefon, keine Kartenzahlung, keine Reservierung: Die Gäste der neuen Kuro-Suppenbude scheint es nicht zu stören.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Manche Udon-Varianten, wie jene mit Garnelen-Tempura, wirken vergleichsweise kraftlos, der Fond eher dünn, die ansonsten so luftig krachknusprig gebackenen Krustentiere in schwerfälligem, blassem Teig – nicht die hohe Frittierschule.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Mild amüsiert lächelt die junge Frau vom Service in die Runde: Bier werde es heute gar keines geben. "Wir haben ein Problem mit der Zapfanlage. Und weil ich gerade dabei bin: Die Küche lässt ausrichten, dass Gerichte mit Rindfleisch erst in einer Stunde wieder zu haben sein werden. Frühestens." Warum? "Keine Ahnung, das haben sie nicht gesagt."

Wem das nach Anfangschaos einer frischgefangenen Gastrotruppe klingt: Irrtum. Das Kuro in der Burggasse hat vergangenen Herbst aufgesperrt. Dass hier gute Udon-Nudeln gefertigt werden, hat sich herumgesprochen: Es gibt keine Reservierungsmöglichkeit, kurz nach 18 Uhr sind alle Tische dicht besetzt – lediglich an der Bar gibt's noch ein paar Sitze. Kuro heißt auf Japanisch Schwarz, worauf die tiefdunkle Fassade in der Burggasse Bezug zu nehmen scheint.

In Wahrheit aber leitet sich der Name von jenem des Betreibers ab: Kohei Kurosa kam vor Jahren für ein japanisches Unternehmen nach Wien, es gefiel ihm hier, nach einiger Zeit aber schickte ihn die Firma weiter nach Warschau. Irgendwann bekam der junge Mann Lust, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen, Wiens lamentable Versorgung mit japanischer Küchenkunst war ihm in Erinnerung geblieben, speziell Udon-Nudelsuppenshops hatte er hier vergeblich gesucht.

Schuhe ausziehen

So baute er ein zuvor von Chinesen betriebenes Sushilokal am Beginn der Burggasse mit einfachen Mitteln um. Im vorderen Bereich sitzt man an drei Tischen und darf sich dank großer Fenster zur Gasse wie in der Auslage vorkommen. Im hinteren, schlauchartigen Raum wurde ein an ein Teehaus erinnerndes Gebilde gezimmert, in dem nochmals drei Tische Platz haben. Hier muss man sich – Sockenmuffel aufgepasst – die Schuhe ausziehen.

Die Arbeitsgenehmigung für seinen japanischen Koch sei das mit Abstand Schwierigste gewesen, sagt Kurosa. Seit er sich die sichern und "endlich" aufsperren konnte, sei er – Rindfleisch hin, Bier her – allabendlich voll. Seit dieser Woche hält er vom Mittagessen weg durchgehend geöffnet.

Die Hauptattraktion des Lokals sind tatsächlich die hausgemachten Udon – dicke, durch quadratische Model gedrückte Weizennudeln von herausragendem Biss, die in klarem Dashi-Fond serviert und mit verschiedenen Toppings und Zuspeisen kombiniert werden. Schlürfen ist bei dieser Art von Essen nicht nur unvermeidlich, sondern ausdrücklich erwünscht. Manche Varianten, wie jene mit Garnelen-Tempura (siehe Bild), wirken vergleichsweise kraftlos, der Fond eher dünn, die ansonsten so luftig krachknusprig gebackenen Krustentiere in schwerfälligem, blassem Teig – nicht die hohe Frittierschule.

Schlürf, ah!

Viel besser: Kamo-Udon mit zimmerwarmen Nudeln in heißem, salzig konzentriertem Fond mit einer massiven Portion geschmorter Ente. Oder Kamatama-Udon mit pochiertem Ei und Frühlingszwiebel, die nicht mit Suppe, sondern einer wundersam würzigen, süßen Sojasauce kombiniert werden: Die vermengt sich mit dem Ei zur schlotzigen Sauce, die sich wie ein Film über die langen, dicken Nudeln legt. Schlürf, ah!

Bukakke-Natto-Udon werden mit Fischfond und heftig hefigen, fermentierten Sojabohnen ("Natto") kombiniert, die den Gaumen in bewährter Art auf Alarmstufe Rot schalten lassen. Dass die auf dem Weg von der Schüssel zum Mund auch noch herrlich stinkige, nicht enden wollende Fäden ziehen, potenziert die Freude am Schlürfen noch einmal. Vor allem, wenn es plötzlich heißt, dass die Schankanlage wie durch ein Wunder wieder funktioniere und man die köstliche Schweinerei nicht mehr mit ausgerauchtem Spritzer, sondern mit ausnehmend gutem, nippo-belgischem Owa-Bier hinunterspülen darf. (Severin Corti, RONDO, 13.1.2017)