Fahrsicherheitstrainings können die Sicherheit von älteren Menschen im Straßenverkehr erhöhen – im Bild eine Teilnehmerin eines Fahrtrainings für Senioren in Niedersachsen.

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Wien – Wie soll der öffentliche Raum gestaltet sein? Als Wegstrecken, die ein schnelles Wechseln zwischen Wohn- und Arbeitsort erlauben? Oder als Ort, der die Bedürfnisse aller Bevölkerungsgruppen widerspiegelt? Für Yvonne Giedenbacher vom Forschungsbüro "queraum" ist die Sache klar: "Es geht darum, einen hochqualitativen Raum zu bieten, der Menschen mit verschiedenen individuellen Möglichkeiten einlädt, sich gerne darin aufzuhalten."

Giedenbacher hat mit Kollegen ihrer Kultur- und Sozialforschungsorganisation im Auftrag des Sozialministeriums den Leitfaden "Un-terwegs im Leben. Denkanstöße für eine alter(n)sgerechte Gestaltung des öffentlichen Raums" erarbeitet. Darin wird Mobilität als weit gefasster, sozialer Begriff gesehen. "Mobilität hat viele Facetten. Es geht nicht nur um U-Bahn-Lifte und Bodenmarkierungen, sondern auch darum zu fragen, ob sich die Menschen im öffentlichen Raum sicher genug fühlen, um am sozialen Leben teilzunehmen", so Giedenbacher.

Komplexität vermindern

Die Studienautoren gruppieren das Themenfeld unter Überschriften wie "Gehen", "Fahren", "Innehalten, "Sich sicher fühlen" oder "Teilhaben". Beispielsweise sorgt die Ausdünnung öffentlicher Verkehrsmittel auf dem Land dafür, dass die Bindung an das Auto steigt. Ältere Menschen fühlen sich vielfach in ihrem Fahrzeug weniger beeinträchtigt als zu Fuß, mit Fahrrad oder in Bus und Bahn. Um ältere Menschen sicher am Straßenverkehr teilnehmen zu lassen, schlägt Giedenbacher zwei Ansätze vor: "Man kann einerseits bei verkehrstechnischen Maßnahmen ansetzen, die die Übersichtlichkeit verbessern und die Komplexität vermindern und etwa die Geschwindigkeiten verringern, andererseits zum Beispiel Fahrsicherheitstrainings anbieten, bei denen sich ältere Menschen ihrer Fähigkeiten bewusst werden."

Generell sollte der öffentliche Raum allen gesellschaftlichen Gruppen ein entsprechendes Umfeld bieten. "In Bezug auf ältere Menschen könnte das ein netter kleiner Platz mit Bank sein, den man auch mit Rollator erreicht und wo man sich im Schatten eines Baumes ungestört ausruhen kann", gibt Giedenbacher ein Beispiel. Einfache Dinge wie sanitäre Anlagen sind ein wichtiges Thema: "Viele trauen sich nicht raus, weil sie das Gefühl haben, dann keine saubere und gut zugängliche Toilette in der Nähe zu haben", erklärt die Sozialforscherin. Das deutsche Projekt "Nette Toilette", das als eines von vielen Praxisbeispielen im Leitfaden vorgestellt wird, zeigt hier einen Lösungsansatz auf: In 220 Städten und Gemeinden werden Gastronomiebetriebe von Kommunen finanziell unterstützt, damit Sanitäranlagen auch ohne Konsumation zur Verfügung stehen. Eigene Aufkleber weisen darauf hin.

Mobilitäts-Scouts

Im Auftrag des Sozialministeriums suchen Giedenbacher und Kollegen in einem weiteren Projekt nach "Mobilitäts-Scouts" – älteren Menschen, die geschult werden, um gemeinsam mit anderen Aktivitäten umsetzen, und so neue Beteiligungsmöglichkeiten schaffen. "Die Projekte der Mobilitäts-Scouts können etwa darin bestehen, Neuplanungen von Infrastrukturen beratend zu begleiten oder gemeinsame Begehungen mit Politikern zu organisieren, um auf Hürden aufmerksam zu machen", so die Sozialforscherin.

Im Leitfaden wird eine Reihe grundsätzlicher "Denkanstöße" an Verantwortungsträger in Politik, Gemeinden und Organisationen, die sich um Partizipation von älteren Menschen kümmern, gerichtet. Dabei wird etwa darauf hingewiesen, dass viele Verbesserungen ohne große bauliche Maßnahmen möglich sind. "Ich finde es erstaunlich, wie viel Lebensqualität der Blick auf Details bringen kann", so Giedenbacher. "Kümmert man sich um Rollsplitt oder schlecht positionierte Plakatständer auf dem Gehweg, kann man das Vorankommen am Gehweg schon maßgeblich erleichtern."

Partizipation und Bereitschaft zum Perspektivenwechsel sind Schlüsselelemente, so die Forscherin: "Wir alle werden älter. Wir sind alle irgendwann körperlich beeinträchtigt. Viele sind mit Kinderwagen oder Gepäck unterwegs. Ein öffentlicher Raum, in dem man sich gern aufhält, ist für alle Menschen wichtig." (Alois Pumhösel, 16.1.2017)